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HAT SICH BEIM KUN­DEN DER SCHIM­MEL­PILZ IN DER WOH­N­UNG BREIT GE­MACHT, DANN IST DIE STIM­MUNG HÄUFIG AN­GE­SPANNT. HIER HILFT ES, SACH­LICH UND VER­STEHEND ZU KOM­MU­NI­ZIE­REN UND FUN­DIER­TE LÖSUNGSWE­GE AUF­Z­UZ­EI­GEN Foto: Mappe

Schlamassel im Stadtverkehr
In einigen Städten besteht bereits Dieselfahrverbot, und es könnten mehr werden. Es stellt sich die Frage, wie Handwerker künftig in Städten mobil bleiben. Dr. Martin Schmied leitet im Umweltbundesamt die Abteilung I 2 »Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung« und spricht über Dieselsteuersätze und Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge mit hohen Stickoxid-Emissionen.  [ttt-gallery-image] Mappe: Herr Schmied, geringer Spritverbrauch und steuervergünstigter Treibstoff hat viele Fahrer animiert, Dieselfahrzeuge zu kaufen. Vielfahren wurde propagiert, damit sich die Anschaffung lohne. Welche Fehlentwicklungen von Seiten der Politik beklagen Sie? Dr. Martin Schmied: Gegenwärtig ist die Energiesteuer auf Diesel gegenüber Benzin um rund 18 Cent pro Liter niedriger. Zwar liegt die Kfz-Steuer für Diesel höher, für Vielfahrer werden diese Mehrkosten durch Einsparungen beim Kraftstoff mehr als kompensiert. Die niedrigere Besteuerung des Dieselkraftstoffs hatte aber ursprünglich ein anderes Ziel: Sie sollte die Wettbewerbsfähigkeit des gewerblichen Straßengüterverkehrs im internationalen Vergleich sicherstellen. Bei der Einführung des reduzierten Steuersatzes spielten Pkw mit Dieselmotoren kaum eine Rolle. 2001 lag der Anteil der Diesel-Pkw in Deutschland noch bei 14,5 %, zum Jahresanfang 2019 waren es bereits 32,2 %. Das Umweltbundesamt empfiehlt, diese klimaschädliche Subvention abzuschaffen und den Dieselsteuersatz zumindest auf das Niveau des Benzinsteuersatzes anzuheben. Im Gegenzug sollte die Kfz-Steuer für Diesel-Pkw auf die von Benzinern gesenkt werden. Da Dieselkraftstoff einen höheren Energiegehalt aufweist als Benzin – und damit auch höhere spezifische CO2-Emissionen – wäre sogar ein Dieselsteuersatz angemessen, der über dem Steuersatz von Benzin liegt. Fahrverbote seien nicht geeignet, um die Schadstoffbelastung in der Luft nachhaltig zu senken, zu dieser Erkenntnis kommen Forscher der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Was braucht es wirklich? So hat es die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in ihrer Stellungnahme »Saubere Luft – Stickstoffoxide und Feinstaub in der Atemluft« nicht formuliert. Sie lehnt Fahrverbote nicht grundsätzlich ab, sondern hält sie in manchen Fällen sogar für rechtlich geboten. Abgelehnt werden von der Leopoldina Fahrverbote, die unverhältnismäßig sind, und Fahrverbote, die zu einer Verkehrsverlagerung in andere Stadtgebiete führen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn nur einzelne Straßen für Diesel gesperrt werden. Das sehen wir übrigens als Umweltbundesamt auch so. Was wir brauchen, sind in der Praxis anwendbare Maßnahmen, die aber auch sicherstellen, dass die gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung gesenkt und die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden. Das sind in erster Linie großräumige und langfristige Maßnahmen, die die Luftqualität überall verbessern. Ein Beispiel ist eine Senkung der seit 25 Jahren unverändert hohen Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft. Ammoniak wird nämlich in der Luft in Feinstaub umgewandelt und verursacht nach derzeitigem Kenntnisstand rund ein Drittel der Konzentration des gesundheitsgefährdenden Feinstaubs PM 2,5 auf dem Land und mehr als ein Viertel in der Stadt. Bei Stickstoffdioxid  braucht es aber eine Minderung der Verkehrsemissionen und zwar real auf der Straße – andernfalls ist der Grenzwert für Stickstoffdioxid in einigen Städten nicht zeitnah einzuhalten. Eine besonders wirksame Maßnahme sind Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge mit hohen Stickoxid-Emissionen. Wir empfehlen für diese Fälle weiträumige Umweltzonen für die Kerngebiete der Innenstädte einzurichten. Nur so kann verhindert werden, vor dem auch die Leopoldina warnt: eine Verlagerung des Verkehrs und der Luftverschmutzung in andere Stadtgebiete. Wissenschaftler fordern die in Europa geltenden Feinstaub-Grenzwerte von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter auf ähnliche Werte wie in den USA (12 Mikrogramm pro Kubikmeter), Kanada (10 Mikrogramm pro Kubikmeter) oder Australien (8 Mikrogramm pro Kubikmeter) zu senken. Wie ist Ihre Meinung dazu? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler orientieren sich an Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, den sogenannten Luftqualitätsleitlinien. So liegt beispielsweise der WHO-Richtwert für den Jahresmittelwert von Feinstaub PM 2,5 bei 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. Im vergangenen Jahr wurde zwar der europäische PM 2,5-Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter an allen deutschen Messstationen eingehalten, der WHO-Richtwert von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter aber an 93 und damit an fast allen deutschen Messstationen überschritten – auch an den meisten städtischen Hintergrundmessstationen und vielen Stationen auf dem Land. Auch nach unserer Einschätzung sichern die geltenden Feinstaubgrenzwerte keinen ausreichenden Gesundheitsschutz. Die EU-Grenzwerte für Feinstaub sollten daher verschärft werden. Die WHO-Richtwerte könnten in Deutschland derzeit aber nur mit unverhältnismäßigen Maßnahmen eingehalten werden. Dies sollte bei einem möglichen Kompromiss, der mittelfristig umgesetzt werden kann, berücksichtigt werden. Langfristig dürfen wir aber die Erreichung der WHO-Richtwerte nicht aus den Augen verlieren. Wie sehen Sie die Entwicklung von Fahrverboten vor dem Hintergrund der Einführung neuer Euro-6-temp-Fahrzeuge? Werden sich die Probleme mit den überhöhten Stickoxid-Werten dadurch schon bald von selbst lösen? Unsere Berechnungen zur Entwicklung der Stickstoffdioxidbelastung zeigen, dass die Flottenerneuerung allein nicht ausreicht, um die NO2-Luftqualitätsgrenzwerte im Jahresmittel an allen betroffenen Standorten einzuhalten. Die Grenzwerte können nur dann unterschritten werden, wenn zusätzlich Hardwarenachrüstungen bei Euro-5-Dieselfahrzeugen und Software-Updates bei Euro-5- und Euro-6-Diesel Pkw sowie leichten Nutzfahrzeugen erfolgen. Lkw- und Lieferverkehr sind deutlich weniger an der Luftbelastung beteiligt als die Diesel-Pkw. Dennoch treffen Fahrverbote besonders Lieferanten und Handwerk hart. Lohnt sich hier die Hardware-Nachrüstung eher als bei Pkw, und wie wirkt sich das auf den Spritverbrauch aus? Bei den bis heute in Kraft gesetzten Fahrverboten gibt es durchgängig die Möglichkeit der Ausnahmen für Handwerkerfahrzeuge – auch per Einzelausnahmegenehmigung. Für saubere Luft wäre es aber sinnvoll, auch die Handwerkehrfahrzeuge technisch nachzurüsten. Ob eine Nachrüstung wirtschaftlich ist, kann nicht pauschal beantwortet werden und hängt vom konkreten Anwendungsfall, Finanzierungsmodell sowie der Förderung im Fall der hochbelasteten Intensivstädte ab. Derzeit ist uns leider kein genehmigtes SCR-Nachrüstsystem für Liefer- und Handwerkerfahrzeuge bekannt. Die Elektromobilität ist aufgrund der problematischen sozialen und ökologischen Aspekte bei der Lithiumgewinnung etc. auch nicht die Lösung. Was tun? Bezogen auf die Klimawirkung haben Elektrofahrzeuge in vielen Einsatzprofilen schon heute Vorteile – und dies trotz des deutschen Strommixes mit noch hohem Kohlestromanteil. Geht die Energiewende weiter, werden diese Klimavorteile der Elektromobilität Jahr für Jahr noch größer. In anderen Umweltbereichen ergeben sich heute noch Nachteile. Vielfach gibt es hier aber gute Ansatzmöglichkeiten, um den ökologischen und sozialen Folgen zu begegnen. Um in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen, müssen insbesondere Politik und Industrie gemeinsam aktiv werden. Auch der technische Fortschritt, beispielsweise durch leichtere, Material-sparende Akkus oder Recycling, wird dazu führen, dass die heute noch vorhandenen negativen Umweltauswirkungen der Elektromobilität zukünftig geringer werden und ganz verschwinden. Zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr führt sowieso kein Weg an der Elektromobilität vorbei. Was raten Sie einem Handwerker in Stuttgart, der einen neuen Transporter anschaffen muss, auf welche Antriebsart bzw. Treibstoff sollte er am besten setzen? Als Umweltbundesamt empfehlen wir die Antriebsart, die am besten zum Nutzungsprofil passt. Wie beim Pkw sollte bei geringer Jahresfahrleistung die Einsatzmöglichkeit eines Fahrzeugs mit Otto- bzw. Gasantrieb geprüft werden. Diese Antriebe sind jedoch meist nur bei kleinen leichten Nutzfahrzeugen der Klasse N1 I verfügbar. Bei mittleren bis schweren LNfz der Klassen N1 II und III sind derzeit meist nur Diesel erhältlich. Hier sollte jeder prüfen, ob ein Aufschub der Investition bis zum 1. September 2020 und damit bis zur verpflichtenden Einführung der Abgasnorm Euro 6d-TEMP für leichte Nutzfahrzeuge möglich ist. Es kommen auch die ersten Elektrofahrzeuge in den Markt – je nach Anwendungsprofil können auch diese eine Alternative darstellen. Ich möchte aber etwas davor warnen, noch schnell die auslaufenden Diesel-Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 6b und 6c zu kaufen, nur weil sie gerade noch mit hohen Rabatten angeboten werden. Diese Abgasnormen stellen nicht sicher, dass die Fahrzeuge im praktischen Betrieb auf der Straße niedrige Stickoxid-Emissionen haben. Diese Schnäppchen können noch über Jahre zur schlechten Luft in unseren Städten beitragen.
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Foto: manuta/Adobe Stock
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