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Nur einem von zehn Mitarbeitern ist es zweitrangig, wie gut sein Verhältnis zum Boss ist. Für alle anderen, also für 90 Prozent aller Mitarbeiter, entscheidet sich an der Frage „Habe ich einen guten Chef?“, ob sie langfristig bei einem Unternehmen bleiben. Doch was ist das eigentlich – ein guter Chef? An erster Stelle stehen einige allgemeine Qualitäten im Chef-Arbeiter-Verhältnis, die unbedingt erfüllt sein sollten: Ein guter Chef pflegt einen Führungsstil mit klaren Spielregeln, mit möglichst unmissverständlicher Kommunikation, mit Wertschätzung und Respekt für seine Mitarbeiter, mit hohem Verantwortungsbewusstsein und der Fähigkeit zum Delegieren sowie mit einer Kultur, die gleichermaßen führt und fördert. Ebenso feine Antennen haben Mitarbeiter dafür, ob ein Chef das, was er an Vorgaben ans Team stellt, auch selbst lebt. Doch lässt sich aus diesen generellen Qualitäten bereits der Prototyp eines guten Chefs schnitzen? In der Theorie vielleicht. Praktisch sieht das ganz anders aus. Glücklicherweise. Denn jeder Mensch – auch ein Chef – ist ein Individuum mit eigener und einzigartiger Persönlichkeit. Genauso individuell muss die Art und Weise sein, in der dieser einzigartige Chef die oben genannten allgemeinen Führungsqualitäten umsetzt. Sonst wirkt das „guter Chef sein wollen“ nur bemüht und wenig glaubwürdig. Soll die gute Führung authentisch und somit wirksam sein, sprechen wir von einem fortlaufenden Entwicklungsprozess. Jeder Chef hat aufgrund seiner Persönlichkeit Führungsstärken, die ihm einige der guten Chefqualitäten leicht machen – und Führungsschwächen, an denen sich im Rahmen der eigenen authentischen Persönlichkeit arbeiten lässt. Erkennen Sie sich in einem der folgenden Cheftypen, die nur einige der vielen möglichen individuellen Facetten aufzeigen, wieder?
Ziemlich beste Freunde: der Kumpel
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Ein Chef, den die Begeisterung für sein Handwerk antreibt, der seine Mitarbeiter vor allem als Mitstreiter in der gemeinsamen schönen Arbeitssache sieht und persönlich ein hohes Bedürfnis nach Harmonie hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit einen kumpelhaften Führungsstil pflegen. Das hat seine Vorteile: Der Kumpel-Chef ist gesprächig, die Kommunikation mit seinen Mitarbeitern fällt ihm leicht. Er legt Wert auf Gemeinschaft und drückt seine Wertschätzung gegenüber dem Team gern durch gemeinsame Freizeitaktivitäten aus.

Schwierig wird es für ihn, wenn es um klare Ansagen und konfliktträchtige Gespräche geht. Hier muss der Kumpel-Chef die Abgrenzung üben, um ein wirklich guter Chef zu werden. Ein Mehr dieser wichtigen Trennschärfe bedeutet konkret: Nicht alles, was den Betrieb betrifft, muss auf der persönlichen Ebene verhandelt werden. Manchmal tut es auch die Sachebene – und kann trotzdem unterm Strich harmonisch bleiben. Weil der Kumpel-Chef ein guter Kommunikator ist, sollte er seinen Rollenwechsel – von der persönlichen auf die sachliche Ebene – offensiv vermitteln: Ein Satz wie „Gestern hatten wir einen tollen Grillabend. Heute besprechen wir, was auf unserer Baustelle besser laufen muss“, kündigt die neue Szenerie eindeutig an und passt dennoch zur Chefpersönlichkeit: So kombiniert sich Zugewandtheit glaubwürdig mit Stärke.
Hier geht’s lang: der Patriarch
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Der Betrieb ist seine erweiterte Familie, für die er sorgt und die er kraftvoll leitet: Der Chef vom Typ Patriarch hat keinerlei Probleme, klare Ansagen zu machen, Spielregeln eindeutig vorzugeben und auf deren Einhaltung zu pochen. Eng wird es dafür für ihn in anderen Bereichen. Der Patriarch tut sich schwer damit, Verantwortung zu übertragen. Schließlich kann keiner Aufgaben so gut wie er selbst erledigen. Seine eigenen Vorstellungen kommuniziert er zwar gut, doch Zuhören und auf Bedürfnisse und Anregungen von Mitarbeitern einzugehen sowie ihnen aktiv Wertschätzung entgegenzubringen, gehört nicht zu seinen natürlichen Stärken.

Wer patriarchale Züge an sich erkennt, sollte sich vor Augen führen: Was passiert, wenn ich einmal ausfalle – oder in meinen eigenen Reihen einen Nachfolger suche, um beruhigt in Ruhestand zu gehen? Fürs Wohl des eigenen Lebenswerks, des Betriebs, lohnt es sich, sich weiterzuentwickeln. Man kann alle Zügel in der Hand behalten – und doch fähigen Mitarbeitern Teilbereiche übertragen. Man kann der Beste bleiben – und doch Talente fördern. Man kann seine unangefochtene Position behalten – und doch mit verdienter Anerkennung seine Leute wertschätzen. All das zeugt von echter Größe.
Bleibt alles, wie es ist: der Bewahrer
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Am wohlsten fühlt sich der Chef vom Typ Bewahrer, wenn fachlich immer alles beim Alten bleibt, wenn in seinem Betrieb traditionelle Werte von allen gelebt werden und sich so wenig wie möglich verändert. Mitarbeiter können sich auf diesen Chef verlassen. Sie lernen mit Sicherheit von ihm ihr Handwerk von der Pike auf. Sie respektieren ihn für sein fachliches Können. Doch was passiert, wenn ein innovativer gewerblicher Mitarbeiter einen durchaus smarten Vorschlag für eine zeitgemäße Baustellenabwicklung macht? Was geschieht, wenn die Büromitarbeiterin zum wiederholten Mal auf eine dringend notwendige Modernisierung der IT drängt? Was, wenn sich der Markt verändert und versäumt wurde, das Leistungsspektrum und die Kundenkommunikation anzupassen?

Die Abneigung des Bewahrers gegen das Neue in jeglicher Form stößt Mitarbeiter vor den Kopf und sorgt im schlimmsten Falle dafür, dass der Betrieb nicht mehr up-to-date ist und abgehängt wird. Doch wie kann man als eingefleischter Bewahrer hier gegensteuern, ohne sich selbst zu verleugnen? Motiviert werden solche konservativen Persönlichkeiten sehr oft von einem großen Bedürfnis nach Sicherheit. Wer sich als Bewahrer für das Neue öffnen will, sollte also sichere neue Lösungen suchen, um den Blick auf Veränderungen überhaupt erst zulassen zu können. Im Beispiel: Soll die Baustellenabwicklung effektiver und die IT moderner werden, kann zunächst auf kleine, überschaubare Verbesserungen gesetzt werden – am besten solche, die bereits für Handwerksbetriebe der eigenen Größe erprobt sind. Hier bietet sich übrigens die wunderbare Chance, innovatives Talent von Mitarbeitern zu fördern und ihnen viele operative Aufgaben zu übertragen.
Fakten, Fakten, Fakten: der Verstandesmensch
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Technisch macht ihm keiner etwas vor. Zahlen, Daten, Fakten hat er im Kopf. Wunderbar ist zudem, dass er auch in solchen Situationen noch ruhig bleibt, wo andere längst drei Mal in die Luft gegangen wären. Ist der Chef vom Typ Verstandesmensch, freuen sich die Mitarbeiter über präzise Arbeitsvorgaben, punktgenaue konstruktive Kritik und wohl durchdachte Vorschläge für Weiterbildungen. Doch Pluspunkte im Zwischenmenschlichen zu sammeln – das fällt diesem Cheftyp nicht leicht. Lob als wichtiges Zeichen der Wertschätzung kommt ihm ebenso schwer über die Lippen wie jede Form von Kommunikation, die nichts mit Sachlichem zu tun hat. Doch genau dieser Bereich ist ebenso wichtig für eine gutes Führungskultur und ein gutes Betriebsklima. Macht man sich als Verstandesmensch klar, dass weiche Faktoren wie eine persönliche Nachfrage, ob alle ein gutes Wochenende hatten, oder ein kurzes „Gut gemacht!“, wenn tatsächlich etwas gut gemacht worden ist, zu einer objektiven Steigerung der Mitarbeiterbindung führen – dürfte es rein rational kein Problem sein, diese neuen Verhaltensweisen ins Repertoire aufzunehmen.
Es gehören immer zwei dazu: passgenaue Mitarbeiter

Was oft in der Diskussion um das gute Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter unter den Tisch fällt: Ein Chef kann noch so gute Führungsqualitäten haben – und trotzdem stimmt die Chemie mit einzelnen Mitarbeitern nicht. Es gehören – wie in jeder Beziehung – auch hier zwei dazu. Wenn es zwischen zwei Menschen überhaupt nicht klappt, passen meist ihre Persönlichkeiten inklusive ihrer Wertvorstellungen und ihrem Kommunikationsverhalten so gar nicht zueinander. Das passiert natürlich auch im Arbeitsleben.

Suchen Sie Ihre Mitarbeiter also auch nach dem Aspekt aus, ob die Persönlichkeit des Bewerbers mit Ihrer Persönlichkeit kompatibel ist. Wer gar nicht zusammenpasst? Der Kumpel-Chef, dem Harmonie über alles geht, wird ganz sicher nicht mit einem Mitarbeiter zurechtkommen, der von Machtstreben, Anerkennung und Statusdenken angetrieben wird. Auch der patriarchalische Chef kommt mit diesem Typ Mitarbeiter nicht klar: Hier sind Hahnenkämpfe vorprogrammiert. Der bewahrende, konservative Chef tut sich schwer mit Mitarbeitern, die Risiko und Dynamik ebenso lieben wie ihre Freiheit und ihre Autonomie. Ebenso wenig glücklich wird sich das Verhältnis zwischen Verstandesmensch-Chef und einem Mitarbeiter gestalten, der ein Vollblut-Kreativer oder ein auf Harmonie bedachter Kommunikativer ist. Man muss nicht genau gleich sein, um gut zusammenarbeiten zu können. Doch die grundsätzliche Wertebasis muss stimmen, damit man sich mit den jeweils individuellen Unterschiedlichkeiten ergänzen kann – zum Wohl aller Beteiligten und letztendlich des Betriebs selbst.

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