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30. April 2015
Redaktion
Gestaltung

Probleme und Lösungen bei dunklen Fassadenfarben

Dunkle Fassadenfarben und putze werden oft vom Kunden gewünscht, stellen die Beteiligten aber auch vor Herausforderungen. Verschiedene Faktoren nehmen Einfluss auf die Beschichtungseigenschaften.
Probleme
Foto: Baumit
Dunkle Farbtöne waren bisher eine Herausforderung für Hersteller von Fassadenbeschichtungen.

Intensiv farbige und dunkle Fassadenfarben stehen bei Bauherren und Architekten hoch im Kurs. Allerdings waren sehr dunkle Farbtöne in der Vergangenheit oft eine Herausforderung für die Hersteller von Fassadenbeschichtungen, da die thermische Beanspruchung solcher Flächen sehr hoch ist. In der Konsequenz kann dies auch dem Fachunternehmer Probleme bescheren. Dunkle Deckputze können sich – in allen Klimazonen – auf über 80° C aufheizen, was zu erheblichen Spannungen im Materialgefüge führt. Das ist kritisch für die Putze selbst, kann aber auch die Untergründe schädigen, vor allem polystyrolbasierte Dämmsysteme und hochwärmegedämmtes Mauerwerk können hier bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit belastet werden. Die starken Temperaturschwankungen aufgrund des Aufheizens und Abkühlens der Oberfläche und der damit verbundenen Dehn und Schrumpfbewegungen können Risse im Putzsystem, bei WDVSystemen aus EPS Verformungen der Dämmplatten sowie Abrisse in Anschlussbereichen verursachen. Verarbeitungsfehler verzeiht ein solches WDVSystem insgesamt viel weniger. Dennoch lassen sich auch dunkle Putzfassaden risikofrei realisieren. Der Schlüssel dazu ist die Reflexion eines Teils der solaren Strahlungsenergie. Diese liegt nur zu 39 % im Bereich des sichtbaren Lichts, drei Prozent entfallen auf den ultravioletten Bereich und ganze 58 % auf das Infrarotspektrum. Hersteller von Beschichtungsstoffen entwickelten mit diesem Hintergrundwissen Pigmente, die im Beschichtungsstoff (je nach Hersteller z. B. in Oberputzen und Fassadenfarben), für eine deutlich geringere Aufheizung der Fassadenoberfläche sorgen. Reiner Schmid leitet im Geschäftsfeld Fassade der Sto SE in Stühlingen das Segment Beschichtungen. Er beschreibt den Vorgang so: „Die sogenannte NIRTechnologie (NIR = near infrared radiation), nutzt diesen Umstand, indem sie mit Hilfe eines speziellen Schwarzpigments, besonderer Füllstoffe und gezielter Buntpigmentrezepturen genau diese NahInfrarotWellen reflektiert. Die Oberflächen heizen sich – verglichen mit herkömmlichen Rezepturen – um 15 bis 20 % geringer auf, sodass sie verlässlich vor einer Aufheizung über die kritischen 70° C geschützt sind.“

HBZ und TSR

Der Hellbezugswert ist als Ausdruck der Körperfarbe definiert, wie sie das menschliche Auge in Relation zu Reinweiß (HBW 100) bzw. Tiefschwarz (HBW 0) sieht. Bei dieser Definition bleibt jedoch außer Betracht, dass der Mensch über das Auge nur elektromagnetische Strahlung in Wellenlängen von 400 bis 700 Nanometer wahrnehmen kann. Die Sonne jedoch strahlt mehr als die Hälfte ihrer Energie im nahen Infrarotbereich (700 bis 2500 nm) aus. Es gilt: Für die Aufheizung der Fassadenoberfläche ist nicht nur die sichtbare, sondern die gesamte Solarstrahlung, also auch die infrarote und ultraviolette Strahlung verantwortlich. Diese gesamte solare Reflexion einer Farbe wird angegeben als Total Solar Reflectance (TSR). Folglich sollte zur Beurteilung des Aufheizverhaltens einer Fassade statt des HBW der TSRWert zugrunde gelegt werden. Wie beim HBW gilt auch beim TSR: Je größer der Wert ist, desto geringer ist die Aufheizung. Anders als der HBW wird der TSR aber vor allem von den verwendeten Pigmentkombinationen bestimmt. Im Gegensatz zum Hellbezugswert entzieht sich der TSRWert jedoch einer optischen Kontrolle, er muss vom Hersteller der Beschichtung in Abhängigkeit der Rezeptur und des Farbtons angegeben werden. Auch wenn der Umgang mit dem TSRWert noch ungewohnt ist, schreitet die Entwicklung nach Aussage von Reiner Schmid fort. Auf den Punkt gebracht gilt also: Die Voraussetzung, um eine dunkle Beschichtung auf verputztem und wärmegedämmtem Untergrund einsetzen zu können, ist ein sehr hohes Reflexionsverhalten im Infrarotbereich.

Blickwinkel Entwicklung

Seitens Dinova beschreibt Produktmanager Klaus Gräfenstein das Vorgehen so: »Die Reflexion von Wärmestrahlung an dunklen Fassaden, mit dem der Schutz der Fassade vor zu hoher Aufheizung bei Sonneneinstrahlung verbunden ist, wird von uns in enger Verbindung mit der Farbtonstabilität behandelt.« Der Kundennutzen steht auch bei anderen Anbietern im Fokus. Heike von Küstenfeld, Baumit meint dazu: »Unser Anliegen ist es, den Marktgegebenheiten und Ansprüchen nach einer großen Farbtonvielfalt gerecht zu werden.« Die Möglichkeiten des Einsatzes der Pigmenttechnologie bei Farben wie bei Putzen erleichtert die individuelle Umsetzung am Objekt mit dem jeweils am besten geeigneten Produkt.

Erfahrungen und Ausblicke

Die bisherigen Erfahrungen von Herstellern und Lieferanten sind durchweg positiv. Der Anteil von Beschichtungen, welche die Aufheizung reduzieren, fällt unterschiedlich groß aus. Zukünftig wird von Zuwächsen ausgegangen. Die Langzeiterfahrungen – unter anderem durch die Überwachung von Referenzobjekten – zeigt, dass die Technologie langfristig wirksam ist. Positiv wird gesehen, dass der Gestaltung von Fassadenflächen kaum noch Grenzen gesetzt werden. Verarbeiter profitieren in der Beratungsphase von verlässlichen Angaben auf z. B. Farbtonkarten, ob sich dunkle Farbtöne am Objekt realisieren lassen. Da nicht nur Farb und Wetterbeständigkeit des Anstrich und Beschichtungssystems selbst infolge der geringeren solarthermischen Belastung verbessert werden, sondern eben auch die Formstabilität und Langlebigkeit des Untergrunds, des Putzes, der Wärmedämmung und des ganzen Bauteils, gehen die Relius Farbenwerke noch weiter. Max Ruprecht, Leiter der dortigen Anwendungstechnik, beschreibt die weitere Entwicklung so: »Die Pigmente eignen sich auch für Anstriche und Beschichtungen anderer Bauteile, wie z. B. von Dachflächen oder von Untergründen aus Holz, Metall oder Kunststoffen. Relius hat inzwischen auch dafür speziell eingestellte Produkte mit dieser Technologie in den Markt eingeführt.« Bei diesen Ausblicken sind wir auf die Entwicklungen der nächsten Jahre gespannt.

Foto: manuta/Adobe Stock
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