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10. Mai 2021
Redaktion
Interview

Ausbildungsbetriebe in der Pandemie

Der Alltag in den Ausbildungsbetrieben hat sich durch Corona stark verändert. Laut der IHK Schwaben sind die Ausbildungsbetriebe zwar dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung zu gewährleisten. Doch wie sieht es in der Realität aus?
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Foto: Städtische Berufliche Schulen Farbe und Gestaltung München
Not macht erfinderisch: Distanzunterricht per Video oder mit Maske im Ausbildungsbetrieb.

Maler- und Lackiermeister Carsten Mensinger, Geschäftsführer der Malerwerkstätten Mensinger GmbH in Frankfurt am Main, bildet zur Zeit sechs junge Menschen im Maler- und Lackiererhandwerk aus. Auf die Frage, wie die Ausbildung in Pandemiezeiten vonstattenging, sagt er: „Natürlich kann der Betrieb nicht die schulische Ausbildung ersetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Betriebe tagtäglich mit neuen Corona-Vorschriften konfrontiert wurden, die dann umgesetzt werden mussten. Leider wurden den Betrieben keine Informationen über den neuen schulischen Onlineunterricht mitgeteilt. Erfreulich ist, dass die jungen Menschen trotz der Pandemie den Beruf gerne ausüben.“

Carsten Mensinger bedauert, dass coronabedingt die Zusatzlehrgänge der Innung ausfielen, die im Betrieb nur schwer ersetzt werden könnten. „Wir versuchen dies aber für die kommenden Prüflinge intern zu kompensieren, indem wir prüfungsrelevante Aufgaben in der Werkstatt durchsprechen und praktisch üben. Auch haben wir gezeigt, dass auch in Coronazeiten gute Ausbildungsergebnisse möglich sind. Dies ist möglich, wenn die jeweiligen Auszubildenden Eigeninitiative und Motivation mitbringen.“ Mensinger sagt aber auch klar: „Es wäre gelogen, wenn Corona sich nicht auf die Ausbildungsqualität und die Auszubildenden auswirken würde.“

Aber wie sehen Azubis selbst die aktuelle Situation in ihren Ausbildungsbetrieben? Im Interview erzählt Janick Mensinger, Auszubildender im zweiten Lehrjahr bei der Malerwerkstätten Mensinger GmbH, von seinem persönlichen Alltag. Der 19-jährige sieht die Verantwortung für einen guten Abschluss seiner Ausbildung in Pandemiezeiten auch bei sich selbst: „Eigenverantwortung muss hier sehr groß geschrieben werden“.

Mappe: Wie haben Sie den Berufsschulunterricht im ersten Lockdown erlebt, was lief gut, wo hat es gehakt, wo fühlten Sie sich allein gelassen?

Janick Mensinger: Der Unterricht war ungewohnt, ganz klar einfach anders. Keiner konnte die Situation richtig einschätzen. Da Onlineunterricht noch nie ein Thema war und auch noch nie praktiziert wurde, ist der Unterricht einfach ausgefallen. Ein Kontakt zur Schule und den Lehrkräften war kaum möglich. Man war auf sich alleine gestellt und musste eigenständig arbeiten. Das liegt natürlich nicht jedem. Zum Teil wurde noch im Präsenzunterricht unterrichtet und zwar mit dauerhafter Maske. Dies schränkt durchaus die Kommunikation ein und die Konzentration lässt nach. Man hat jede freie Minute draußen genossen. Digitale Lernplattformen gab es nicht.

Mappe: Was hat sich seit dem ersten Lockdown in der Berufsschule verändert?

Janick Mensinger: Im zweiten Lockdown hat sich einiges geändert. Die Kommunikation als Online-Unterricht wurde stärker favorisiert. Die Kommunikation ist digitaler geworden. Lernplattformen wie Moodle wurden eingerichtet. Diese wird aber kaum genutzt. Aufgaben werden über Mail versendet und Unterricht über Zoom-Meeting abgehalten. Aber das ist wirklich abhängig von der Lehrkraft. Wie auch schon im Präsenzunterricht gibt es sehr engagierte Lehrer*innen, die auch mit Lernplattformen gut arbeiten und es gibt andere, die nur das nötigste vermitteln können und wollen.

Mappe: Wie ist Ihre digitale Ausstattung, wer hat sie zur Verfügung gestellt, wie sind Sie damit zufrieden?

Janick Mensinger: Die digitale Ausstattung ist komplett unterschiedlich. Es kommt darauf an, was man von Zuhause mitbringt. Manche arbeiten mit einem Laptop, andere hingegen nur mit dem Handy. Hier ist schon deutlich zu sehen, dass ein gutes Arbeiten mit einem Handy eigentlich nicht möglich ist. Ob man zufrieden ist, ist hier schwierig zu sagen. Manche Auszubildenden haben keine Wahl und können nur mit dem Handy den Unterricht verfolgen.

Mappe: Wie läuft die praktische Ausbildung im Betrieb und in den überbetrieblichen Einrichtungen in Pandemiezeiten?

Janick Mensinger: Eigentlich sehr gut. Es ist kaum eine Veränderung zu spüren, außer dass sehr auf die Hygienemaßnahmen (Mund-Nasenschutz, Abstandsregeln) geachtet wird. Die Betriebe können und dürfen unter den gegebenen Vorschriften arbeiten. Überbetriebliche Lehrgänge finden ebenfalls unter den gegebenen Vorschriften statt. Abstände und Mundschutz werden eingehalten. Flexible Pausen zum frische Luft schnappen werden angeboten.

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Foto: Privat
Janick Mensinger mit seinem Vater, Carsten Mensinger, Geschäftsführer der Malerwerkstätten Mensinger GmbH.

Mappe: Haben Sie den Eindruck ausreichend Wissen und Fertigkeiten vermittelt zu bekommen um eine gute Abschlussprüfung machen zu können oder fühlen Sie sich gegenüber früheren Azubis benachteiligt, wo genau bestehen Defizite?

Janick Mensinger: Es werden die Grundlagen vermittelt. Mehr als das ist online nicht möglich. Deshalb muss sich jeder selber in der Freizeit mit dem Lernstoff beschäftigen. Eigenmotivation muss hier sehr groß geschrieben werden. Für einige können durchaus Defizite entstehen, die sie ohne fremde Hilfe nicht aufholen können. Aber auch dies hängt stark von der Lehrkraft ab. Manche Lehrkräfte versuchen ihr Bestmögliches, um diese Situation gut zu meistern!

Mappe: Laut dem Berufsbildungsgesetz können Azubis in Ausnahmefällen eine Verlängerung der Ausbildungsdauer beantragen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel nicht erreicht wird. Was halten Sie davon, ist das eine Option für Sie oder für Kolleginnen und Kollegen?

Janick Mensinger: An sich ist so etwas eine gute Möglichkeit, um eine erfolgreiche Ausbildung zu absolvieren. Jedoch müsste dann in der Verlängerung ein Konzept her, welches die Defizite beheben kann. Und das ich meiner Meinung nach nicht vorhanden.

Mappe: Was wünschen Sie sich von der Bildungspolitik, was sollte geändert werden?

Janick Mensinger: Das Wichtigste ist, die Schulen wieder zu öffnen. Die Kommunikation miteinander, das Erarbeiten von Aufgaben, die Kontrolle der Auszubildenden vor Ort kann nur im Präsenzunterricht wirklich gewährleistet werden. Viele Auszubildenden können sich nicht wirklich zum selbständigen Lernen motivieren.

Dieses Interview erschien in gekürzter Form in der Printausgabe der Mappe 05/2021. Das dritte Interview zum aktuellen Brennpunktthema »Ausbildung in der Pandemie« finden Sie hier.

Foto: manuta/Adobe Stock
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