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Für die optimale Digitalisierungsstrategie sind etliche Vorbereitungsarbeiten zu erledigen. Foto: M.Johannsen/stock.adobe.com

Welcher Digitalisierungstyp sind Sie bzw. ist Ihr Betrieb? Der „Analoge Betrieb“ oder ein „Digitaler Beginner“? Oder sind Sie ein „Teilnehmer der Plattformökonomie“ und gar ein „Digitaler Vorreiter beim Handwerk 4.0“? Diese vier Digitalisierungstypen unterscheidet eine Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen e.V. (ifh). Aber vielleicht finden Sie sich auch eher in einem der sechs Typen wieder, die das Digitalisierungsbarometer www.handwerk-digital.nrw ausweist: Pragmatischer Handwerker, Aufgeschlossener Handwerker, Digitaler Handwerker, Bodenständiger Handwerker, Strategischer Handwerker und Traditioneller Handwerker.
Blick in die Praxis
In Berlin arbeitet Malermeister Nicolai Heußer mit fünf Mitarbeitern, darunter die Partnerin im Büro, zwei Gesellen und ein Auszubildender. Die Mappe fragte nach seinen Erfahrungen zur verstärkten Digitalisierung.
Mappe: Herr Heußer, Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass Digitalisierung vom ganzen Team gelebt und praktiziert wird, und das mit einer großen Portion Spaß und Wertschätzung. Können Sie uns bitte ein Beispiel dafür geben?
Nicolai Heußer: Gute Digitalisierung macht den Alltag leichter und nimmt einem fehleranfällige und repetitive Aufgaben ab. Der Weg dahin ist nicht immer einfach, aber für mich war klar: Im Jahr 2020 geht es einfach nicht mehr mit einer Software, die auf meinem Rechner im Büro installiert ist. Ich bin den ganzen Tag unterwegs und brauche meine Daten immer bei mir. Wir steuern heutzutage alles mit Apps und dem Browser. Warum dann nicht auch meinen Betrieb? Ich habe noch die Zettelwirtschaft kennengelernt – Aufmaß hier, Arbeitszeiten dort und wenn der Kunde anruft, hatte ich das Angebot nicht dabei und konnte keine Fragen beantworten. Bei den Zetteln sind auch immer wieder welche verloren gegangen – im Zweifel musste ich dann noch einmal zum Kunden. Mit einem guten Programm passieren alle diese nervenaufreibenden Probleme nicht mehr. Die Arbeitszeiten werden per App erfasst und finden sich direkt in der Nachkalkulation und im Stundenkonto vom Mitarbeiten wieder. Meine Mitarbeiter haben Zugriff auf alle Leistungsverzeichnisse. Wir können uns jetzt auf das konzentrieren, was uns Spaß macht: das Handwerk.
Mappe: Was war der Auslöser für Ihre Digitalisierungsoffensive, womit haben Sie begonnen?Nicolai Heußer: Stellen Sie sich die folgende Situation vor: Sie kommen von einem anstrengenden Tag zurück ins Büro, möchten eigentlich nur noch nach Hause, aber stattdessen müssen Sie noch die Unterlagen sortieren, die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter händisch in den Computer eintippen und Angebote oder Rechnungen für Kunden erstellen – alles über verschiedene Programme, die weder fehlerfrei arbeiten noch miteinander kompatibel sind. Die meisten Handwerker kennen diese Situation nur zu gut, denn die Zeit für Bürotätigkeiten nimmt oft einen viel großen Teil der Arbeit ein und nur den wenigsten macht dieser Geschäftsbereich tatsächlich Spaß. Schon gar nicht, wenn die Software, die eigentlich unterstützen sollte, alles nur noch komplizierter und langwieriger macht. Für mich war es an der Zeit, meinen Alltag effektiver und vor allem zeitgemäßer zu gestalten. Bei einem Gespräch mit meinem guten Freund Gregor Müller, sind wir dann auf die Idee gekommen, einfach selbst eine Softwarelösung zu entwickeln, die betriebsübergreifend genutzt und an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden kann. So entstand „Das Programm“ und als wir fertig waren, haben wir es natürlich gleich bei mir im Betrieb getestet und mit der Zeit immer weiter ausgebaut.
Mappe: Haben Sie eine Digitalisierungsstrategie im Unternehmen und falls ja seit wann und wie sieht diese aus?Nicolai Heußer: Eine Strategie hatten wir am Anfang nicht. Diese hat sich eigentlich erst durch und mit der Nutzung von „Das Programm“ entwickelt. Ich wurde von Anfang an viel in den Entwicklungsprozess eingebunden, damit die App stark auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten von Handwerkern zugeschnitten werden konnte, daher war mir auch schnell klar, worauf es für mich ankommt.Natürlich ist eine komplette Umstellung nicht von heute auf morgen möglich und kann im ersten Moment auch erst einmal überfordernd wirken, aber als wir damals mit der Betaversion angefangen haben, bin ich quasi mit dem Produkt mitgewachsen. Mit Hilfe der Software konnten wir im Betrieb seit Ende 2019 Schritt für Schritt immer mehr Arbeitsabläufe digitalisieren. Aktuell ist es immer noch so, dass mir im Arbeitsalltag einige Abläufe auffallen, für die es sicher digital eine schnellere und effektivere Lösung gibt. Dann wende ich mich an Gregor und zusammen entwickeln wir eine neue Funktion, die dieses Problem aus der Welt schafft.
Mappe: In welchen Bereichen Ihres Unternehmens sind Sie digitalisiert, welche Lösungen haben Sie in den verschiedenen Bereichen?Nicolai Heußer: Da wir bereits relativ früh alle Aufträge digitalisiert haben, können wir „Das Programm“ für das Aufmaß, die Angebotserstellung, die Auftrags(nach)kalkulation, das Abnahmeprotokoll und für die abschließende Rechnung nutzen. Auch die Terminplanung und Zeiterfassung des Teams findet über die Software statt und selbst für die interne Kommunikation zwischen den Kollegen können wir die Chatfunktion nutzen. Wir als Betrieb sind deshalb nun in der Lage, untereinander einfach und schnell zu kommunizieren und Aufträge online zu bearbeiten. So kann jeder Mitarbeiter, wenn er beim Kunden vor Ort ist, direkt in den zugehörigen Auftrag sehen und somit seinen Job optimal ausüben.
Mappe: Gab es Vorbehalte oder gar Ängste bei Mitarbeitern in Bezug auf die Digitalisierung? Falls ja, wie konnten Sie skeptische Mitarbeiter motivieren und für die Digitalisierung gewinnen?Nicolai Heußer: Für mich und meine Mitarbeiter war die Umstellung auf einen digitalisierten Betrieb eher ein spannendes neues Projekt, auf das alle neugierig waren. Natürlich kannten sich gerade unsere älteren Mitarbeiter nicht alle mit Apps und den technischen Möglichkeiten aus, aber es war schön zu sehen, wie ihnen die Gesellen und Auszubildenden, die als digital Natives damit aufgewachsen sind, unter die Arme gegriffen und ihnen mögliche Ängste genommen haben. So konnten sich unsere jüngeren Mitarbeiter innerhalb des Teams auch noch einmal ganz anders einbringen und an der zukünftigen Gestaltung des Betriebs mitwirken.
Mappe: Was begeistert Sie persönlich am meisten an der Digitalisierung?Nicolai. Heußer: Ich mag es, zu sehen, wie leicht ehemals mühsame Arbeiten nun dank der Digitalisierung funktionieren. Vor allem bei handwerklichen Berufen sollte es eigentlich um das Gestalten und die Kreativität gehen und nicht um das stundenlange Sitzen vor dem Rechner. Sind Abläufe digitalisiert, werden administrative Tätigkeiten einfacher, schneller und effizienter. Die dadurch gewonnene Kapazität kann dann wiederum optimal für die Ausübung unserer eigentlichen Leidenschaft genutzt werden: das Handwerk.
Mappe: Gibt es Aufgabengebiete oder Bereiche, wo Ihnen die Digitalisierung nicht schnell genug geht bzw. wo Sie sich digitale Lösungen wünschen; welche sind das?
Nicolai Heußer: Es gibt immer mal die ein oder andere Aufgabe, wo ich der Meinung bin, das könnte digital schneller gehen. Zum Beispiel die Kommunikation mit dem Kunden, bei der es sicher noch sehr viel mehr Digitalisierungsmöglichkeiten gäbe. Dafür muss aber natürlich auch die Bereitschaft für die Nutzung digitaler Tools auf beiden Seiten vorhanden sein.Meiner Meinung nach würde vor allem der Kontakt mit Unternehmenskunden durch digitale Lösungen oftmals schneller und effizienter ablaufen. Bei Privatkunden allerdings gestaltet es sich da schon deutlich schwieriger, denn die Kunden und auch wir legen hier natürlich weiterhin auch Wert auf den persönlichen Kontakt bzw. die persönliche Abstimmung vor Ort.   
Mappe: Was raten Sie Kollegen im Malerhandwerk, die „digitale Beginner“ sind, wie sollten sie vorgehen, womit beginnen? Nicolai Heußer: In den meisten Betrieben fehlt die Offenheit für digitale Themen, weil sie in ihren Abläufen so sicher sind, dass sie gern alles so belassen möchten, wie es seit Jahren mehr oder weniger gut funktioniert. Von diesem Gedanken sollte man sich schnellstmöglich verabschieden. Es ist wichtig, mit der Zeit zu gehen, denn vor allem jüngere Handwerker erwarten den Umgang mit Technik auch in ihrem beruflichen Umfeld. Ich höre auch häufig von Kollegen, dass sie der mögliche Zeitaufwand einer Umstellung abschreckt. Natürlich nimmt die Digitalisierung einige Zeit in Anspruch und gerade am Anfang wird auch nicht immer alles sofort so funktionieren, wie man es sich wünscht, aber ich rate jedem Betrieb, dranzubleiben und sich auf die Vorteile zu konzentrieren, die sich daraus ergeben. Ich halte es für besonders hilfreich, am Anfang nicht zu viel gleichzeitig anzugehen, sondern sich erst einmal nur auf bestimmte Prozesse zu konzentrieren, die zum Beispiel besonders langwierig oder kompliziert sind. Nachdem diese Probleme behoben wurden, können nach und nach weitere digitale Lösungen ins Spiel kommen.
Mappe: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Heußer.
 
Ein Fazit des Digitalisierungsbarometers
„Der Bereich der betrieblichen Leistungserbringung hat deutliches Optimierungspotenzial. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang der skeptische Blick der Betriebsinhaber auf digitale Technologien. Auch die Marktkommunikation sowie die Betriebsführung und -entwicklung befinden sich auf einem Niveau, das unbedingt angehoben werden sollte.“ Fazit Digitalisierungsbarometer
Das ist relevant für eine erfolgreiche Digitalisierung
Aus der Sicht der Experten des Digitalisierungsbarometers sind folgende Indikatoren von größter Relevanz für eine erfolgreiche Digitalisierung:

 das Vorhandensein einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie für das Unternehmens,
 die Optimierung der Website zur besseren Auffindbarkeit im Internet (Suchmaschinenoptimierung / -marketing),
 die Nutzung einer Softwarelösung zur Angebotskalkulation und -erstellung,
 die Nutzung einer Softwarelösung für die Projektsteuerung und / oder die betriebliche Kapazitäts- und Ressourcenplanung sowie
 das Vorhandensein eines mobilen Zugriffs von der Baustelle auf sämtliche Kunden- und Projektunterlagen.

Quelle: Bärbel Daiber / wk

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