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26. Mai 2023
Redaktion
Interview

Rückbesinnung auf das Wesentliche

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns schon eine Weile. Er verändert nahezu alles – Wohnen, Mode, Reisen, Produktdesign, Märkte, das Konsumverhalten und vieles mehr. Wir haben bei der Trendexpertin Gabriela Kaiser, Inhaberin der gleichnamigen Trendagentur, nachgefragt, was uns beim Interior Design 2023/2024 bewegt und welche Trendthemen angesagt sind.
Gabriela
Foto: Gabriela Kaiser
Gabriela Kaiser gestaltete für die Mappe exklusiv Moodboards zu den von ihr herausgearbeiteten Lifestyles.

Wie hat sich der Anspruch der Menschen an ihr Zuhause verändert?

Gabriela Kaiser: Die Pandemie und als Folge das viele Zuhause haben zu Veränderungen bei den Menschen geführt – auch bei ihren Wohnbedürfnissen und ihrem Konsumverhalten. Wo der Wohntraum vorher ein möglichst offener, lichtdurchfluteter Bereich sein sollte, gibt es plötzlich wieder die Sehnsucht nach räumlichen Rückzugsorten und mehr Geborgenheit in den Wohnbereichen statt schickem Loft-Gefühl.

Was ist aus Ihrer Sicht einer der bleibenden Trends?

G. Kaiser: Nachhaltigkeit ist für meine Begriffe der wichtigste Megatrend, der nahezu alles verändert – Wohnen, Mode, Reisen, Produktdesign, Märkte, das Konsumverhalten und vieles mehr. Dabei zeigt sich Nachhaltigkeit in vielen Facetten: Back to the roots! Das Leben in Einklang mit der Natur bringen; Reduktion auf das Wesentliche; eine starke Sehnsucht nach Emotionalität bei aller Technik und Virtualität; zeitlose Designs, die lange Bestand haben; Second Handprodukte, die Ressourcen schonen; Reuse, Reparatur und Recycling; umweltschonende Fertigung; natürliche und neue Materialien. Hinter all dem steht die Frage: Wie gelingt es uns, einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen? Dieses Denken spiegelt sich mehr und mehr auch in den Trends der Einrichtungsbranche und bei den Interior-Produkten wider.

Welchen Einfluss hat der Megatrend Nachhaltigkeit auf die Gestaltung unserer Wohnräume?

G. Kaiser: Da wir verschiedene Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen haben, existieren auch beim Megatrend Nachhaltigkeit verschiedene Lifestylewelten nebeneinander. Selbst bei Wand- und Bodenbelägen zeichnen sich die gesellschaftlichen Übergänge ab. Dabei überzeugen die Trend-Produkte nicht mehr nur durch ihr Design, sondern auch mit natürlichen, recycelten und/oder biologisch abbaubaren Materialien sowie nachhaltiger Produktion.

Und was sind Ihre Lifestyle-bzw. Trendthemen für die Wohnsaison 2023/2024?

G. Kaiser: Auf der Grundlage meiner Beobachtungen habe ich sechs Typologien von Lifestyles herausgearbeitet: Elegant Traditionalist, Cosy Naturalist, Botanical Urbanist, Cool Modernist, Mindful Minimalist, Emotional Sensualist. Die Merkmale dieser Typen stehen in einem Kontext zu gesellschaftlichen Werten, zu Lebens- und Wohnbedürfnissen sowie zu individuellen Wünschen und Vorlieben. Sie ermöglichen uns wichtige Strömungen und Trends zu identifizieren und für eine „Vorhersage“ zu nutzen, wohin sich das Interior Design entwickelt. Mit den übergeordneten Megatrends erhalten wir außerdem einen Blick über den Branchen-Tellerrand hinaus. Und noch wichtiger: Durch die Trendanalyse erfahren wir etwas über die Wünsche und Bedürfnisse der Endkundinnen und -kunden.

Wie kann ein Malerbetrieb Ihre Erkenntnisse nutzen und was kann er damit erreichen?

G. Kaiser: Er kann es als effektives Tool einsetzen, um seine Kunden strukturierter und gezielter anzusprechen. Die Trendthemen lassen sich beispielsweise hervorragend für ein Moodboard nutzen, um eigene Ideen zu visualisieren. Damit lässt sich übrigens auch eine übersichtlich strukturiert und tolle Dekoration und Warenpräsentation gestalten.

Ist das nicht schwierig und enorm aufwändig?

G. Kaiser: Am Anfang ist vielleicht die Angst vor der leeren Fläche da, aber wenn man weiß, wie es geht, verschwindet diese schnell. Ein Moodboard zu erstellen wird zur spielerischen Entspannung, die dann am Ende auch noch sinnvoll genutzt werden kann und auch noch Spaß macht! Bei meinen Workshops zeige ich verschiedene Untergründe, auf denen man Moodboards erstellen kann, spreche über die einzelnen Komponenten, die eine Rolle spielen und natürlich auch darüber, wie man am besten vorgeht, um am Ende ein tolles Ergebnis zu bekommen. Um ein schönes Moodboard hinzubekommen muss man nicht künstlerisch begabt sein (was Maler*innen in der Regel sind) – das kann wirklich jeder! Ein Tipp: Nicht zu viele verschiedene Ideen auf ein Moodboard packen. Dann lieber ein zweites anlegen!

Brigitte Wagner-Rolle

Sechs Lifestyle-Typen von Gabriela Kaiser

Moodboard
Foto: Gabriela Kaiser/Trendagentur
Moodboard „Elegant Traditionalist“

Beim „Elegant Traditionalist“ stehen alte Werte im Fokus. Gefragt sind klassische Formen und Muster von zeitloser Eleganz, sodass die Produkte quasi ein Leben lang begleiten und vielleicht sogar an die nächste Generation weitergegeben werden können. Neben kleinen geometrischen Mustern sind üppige Blumen, Paisleys, Ornamente und Streifen als Merkmale angesagt. Damit einher gehen warme und dunkle Farbzusammenstellungen, auch Gold und Silber. Am Boden dominieren matte, sehr dunkle Holzböden mit einer fast schwarzen Maserung. Hier geht es um Wärme und eine zeitlos luxuriöse Optik, aber auch um die Kombination mit modernen Elementen.

Moodboard
Fotos: Foto: Gabriela Kaiser/Trendagentur
Moodboard „Cosy Naturalist“

Der „Cosy Naturalist“ ist die zeitgemäße Interpretation des Landhaus-Freunds. Hier geht es eher um rustikal und bodenständig als um verspielt Formen. Natürliche Materialien, verwitterte und gebraucht wirkende Optiken, unregelmäßige, sich auflösende Muster, unscharfe Kanten, Geflicktes und gelebte Oberflächen. Der Makel wird zum Gestaltungselement. Warme Farben wie Terracotta, Petrol, Ocker und rostiges Braun führen zu einer gemütlichen Stimmung, interessant im Kontrast mit kühlen, bläulichen Grüntönen.

Moodboard
Fotos: Foto: Gabriela Kaiser/Trendagentur
Moodboard „Botanical Urbanist“

Beim „Botanical Urbanist“ verbinden sich urbaner Lifestyle mit Naturelementen. Topfpflanzen bevölkern Regale und Sideboards, Nutzpflanzen Balkone und Fensterbänke. Damit zieht natürliches Grün ins Wohnen ein, zum Teil kombiniert mit einem oliv-angegrauten Grünton. Die Imitation von Abgenutztem und unscharf auslaufenden Mustern ist auch hier zu finden, ebenso wie sich überlagernde Muster, Streifen, haptische Maserungen und prägnante Oberflächen, die hier aber moderner wirken. Natürliche Farben und Materialien vermischen sich mit zeitgemäßen Formen zu einem modern natürlichen Urban‐Look.

Moodboard
Fotos: Foto: Gabriela Kaiser/Trendagentur
Moodboard „Mindful Minimalist“

Der „Mindful Minimalist“ steht auf minimalistisches Design, das sich durch Funktionalität und schlichte Ästhetik auszeichnet. Einfache, zeitlose Basics aus umweltfreundlichen Materialien sollen es sein, hell sanft, aber gemütlich. Angegraute Böden, Maserungen, kreidige Oberflächen und breite helle Holzdielen gehören mit dazu. Weiche, wolkige Muster, tonige Strukturen, Terrazzo-Optiken, sanfte Farbverläufe führen hier zu einer entspannt gemütlichen Atmosphäre.

Moodboard
Fotos: Foto: Gabriela Kaiser/Trendagentur
Moodboard„Cool Modernist“

Ganz anders beim „Cool Modernist“. Der Design-Freund mag es gerne etwas cleaner und bevorzug eine kühle Farbpalette im blauen Spektrum, neu dazu warme helle Akzent wie ein weiches Pastellgelb. Großzügige Muster, geometrische, weiche Farb- und Musterflächen bewirken einen minimalistisch aber komfortablen Look, effektvoll akzentuiert durch Design‐Möbel und ‐Objekte in kühler Farbigkeit.

Moodboard
Fotos: Foto: Gabriela Kaiser/Trendagentur
Moodobard „Emotional Sensualist“

Romantisch, blumig, weich und pudrig mag es der „Emotional Sensualist“. Neben floralen Zeichnungen sind hier auch historische Ornamente, romantische Blumen und bunte Vögel zu Hause. Flauschige Oberflächen laden zum gemütlichen Kuscheln ein und ein Hauch von Glanz und Glitzer scheint über allem zu schweben. Dabei darf es auch gerne etwas lieblicher sein in der Farbigkeit von Apricot über Rosa zu Flieder. Mit rundlichen Formen der Neuinterpretation alter Muster wird eine unbeschwerte, verträumte gemütliche Welt kreiert.

Mehr über Gabriela Kaiser und ihre Arbeit finden Sie auf ihrer Website.

Foto: manuta/Adobe Stock
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