So geht Nachhaltigkeit bei Kip Tape
Herr Würz, wie nachhaltig sind Ihre Klebebänder?
Christian Würz: So nachhaltig wie aktuell möglich. Wir haben uns dem Thema bereits vor vielen Jahren verschrieben und schauen uns fortlaufend unsere Produktpalette an. Wo können wir zum Beispiel auf Lösemittel im Klebstoff verzichten? Wo können wir mehr Recyclingmaterial einsetzen, etwa bei Schutzfolien oder Papieren. Das gilt insbesondere für alle neuen Produkte, wo wir zum Beispiel weitgehend auf Lösemittel verzichten.
Tun sie dies, weil Ihre Kundinnen und Kunden, Handwerkerinnen und Handwerker, Industriekunden oder private Haushalte, danach fragen?
Würz: Nein. Interessanterweise ist dieses Engagement kaum von der Nachfrageseite her getrieben. Das ist in erster Linie unser eigenes Commitment. Wobei wir natürlich auch Verordnungen und Regularien unterliegen. Etwa der Europäischen Chemikalienverordnung, die unter anderem Grenzwerte für einzelne Inhaltsstoffe setzt oder diese auch ganz verbietet. Doch ein wesentlicher Treiber ist unser eigenes Engagement, das wir auch als Investition in die Zukunft sehen.
Wie sieht dieses Engagement konkret aus?
Würz: Wir haben zunächst untersucht, welche Auswirkungen unser Handeln auf unser Umfeld hat und wie unser Umfeld auf uns einwirkt. Um Struktur in den Datenwust zu bekommen, haben wir uns die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen angeschaut und herausgearbeitet, welche davon unser Geschäft berühren. Herauskristallisiert haben sich drei Aspekte, die wir auf unsere Klebeband-Welt übertragen haben: Securing Sustainable Life Cycles, Adhering to Environmental Preservation und Bonding Colleges and Communities.
Klingt nach gutem Marketing. Doch was steckt dahinter?
Würz: Einiges! Nehmen wir den ersten Punkt, die Kreislaufwirtschaft: Ziemlich gut kannten wir bislang alle Prozesse von der Rohware für unsere Tapes bis zu deren Anwendung durch den Maler. Wo kommen die Materialien her, wo werden sie wie verarbeitet, von wem werden sie wie angewandt? Was allerdings danach passiert, darüber wussten wir bislang sehr wenig. Wie werden unsere Klebebänder nach Gebrauch entsorgt, über den gelben Sack, die Restmülltonne oder bei Großanwendern eventuell über andere Systeme? Daher haben wir uns mit Entsorgern zusammengesetzt und dies genauer betrachtet.
Mit welchem Ergebnis?
Würz: Der Großteil unserer Produkte wird nach Gebrauch thermisch verwertet, wie man im Fachjargon sagt, also zur Energiegewinnung verbrannt. Das ist natürlich nicht im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, wie sie insgesamt in der Wirtschaft und auch von uns angestrebt wird.
Wie ginge es besser?
Würz: Gute Frage, das Ganze ist reichlich komplex. Bei Papier etwa hat sich ja ein funktionierender Kreislauf etabliert. Ein Teil unserer Papiere besteht bereits aus hundert Prozent Altpapier. Das Problem: Diese sind häufig mit Farben, Lasuren und Lacken verunreinigt, die im Recyclingprozess wieder ausgewaschen werden müssten. Und das geht unterschiedlich gut. Bei geringen Mengen wässriger Dispersion ist es weniger problematisch, bei lösemittelbasierten Beschichtungen wird es schwieriger. Eine Herausforderung beim Recycling ist das Trennen von Klebstoff und Trägermaterial. Das macht es schwierig, dem Maler zu sagen, er könne unser Produkt grundsätzlich in der Altpapiertonne entsorgen.
Dennoch wollen wir hier zu einer Kreislaufwirtschaft kommen. So haben wir etwa ein Packband mit 30 Prozent Recyclingfasern entwickelt. Das lässt sich wunderbar gemeinsam mit dem Karton recyceln und muss nicht aufwendig getrennt werden. Denn wer trennt beim Entsorgen schon das Klebeband vom Karton?
Beim Kunststoff ist das Ganze vermutlich etwas schwieriger?
Würz: Unsere Folien bestehen hauptsächlich aus Polyethylen, das sich im Prinzip gut recyceln lässt. Natürlich sind auch hier Farb- und Klebstoffreste ein Problem, die im Recyclingprozess aufwendig entfernt werden müssten. Allerdings haben wir bewusst auf das Bedrucken unserer Folien verzichtet. Denn damit beim Kunststoffrecycling wieder hochwertiges Granulat entstehen kann, müssen zunächst die Druckfarben entfernt werden, in einem Deinking-Prozess.
Wir wollen zur einer Kreislaufwirtschaft kommen. So haben wir etwa ein Packband mit 30 Prozent Recyclingfasern entwickelt. Das lässt sich wunderbar gemeinsam mit dem Karton recyclen.
Also kann man dem Maler auch nicht empfehlen, Folien grundsätzlich im Gelben Sack zu entsorgen?
Würz: Wenn, dann möglichst ohne Farbreste. Ideal für ein effektives Recycling wären sicherlich sortenreine Sammelsysteme, wie es sie etwa für Batterien, CDs oder Zigarettenkippen gibt. Das sortenreine Einsammeln nach der Verwendung ist der entscheidende Punkt. Wenn dies gelänge, ließe sich jedes Produkt in den passenden Waste Stream führen. Doch ob sich ein solcher Aufwand rechnen würde, ist fraglich. Was nützt es, wenn wir zum Beispiel Malern eigene Tonnen für Klebebänder zur Verfügung stellen und diese die Materialien aufwendig trennen, aber in der Entsorgung doch wieder alles zusammengeworfen wird, weil schlicht die Volumina zu klein sind?
Also kann der Kreislauf gar nicht funktionieren?
Würz: Das ist lediglich der aktuelle Stand. Derzeit konzentrieren wir uns vor allem darauf, mehr Recyclingmaterial in unsere PE-Folien zu bekommen. Und auch das ist eine Herausforderung. Wenn Sie etwa in eine 10-µ-Folie 50 Prozent Recyclat bringen möchten, diese dann aber auf 20 µ wachsen muss, um noch die gleiche Reißfestigkeit zu haben, ist weder der Umwelt noch dem Anwender geholfen. Denn bei allem, was wir in Richtung Nachhaltigkeit tun, ist vor allem eines wichtig: Die Qualität darf in keinster Weise leiden.
Wie viel Recyclat lässt sich denn ohne Qualitätsverlust in PE-Folie einbringen?
Würz: In der Praxis schaffen wir 25 bis 30, vereinzelt auch 50 Prozent – wohlgemerkt, ohne dass die Folie dicker wird. Je dicker die Folie, desto einfacher ist das Ganze. Bei 7- oder 8-µ-Folien wird es schon schwierig. Und was man dabei nicht vergessen darf: Finanziell bringt dies in der Regel nichts. Denn gutes Recyclat ist – auch wenn man vielleicht anderes vermutet – bislang genauso teuer wie Frischware, manchmal sogar teurer. Dieses Engagement ist also tatsächlich ein Commitment unsererseits.
Wie aufwendig ist die Umstellung auf Recyclingmaterial?
Würz: Es ist ein längerer Prozess: Im ersten Schritt geht es um die Folienproduktion. Gibt es Probleme bei der Zufuhr oder beim Schmelzen des Granulats? Reißt die Folie eventuell leichter? Im nächsten Schritt geht es um die Verbindung mit Klebstoff oder Klebeband. Lässt sich die Folie nach wie vor gut beschichten? Und schließlich muss die finale Produktqualität stimmen. Denn Rückstände im recycelten Kunststoff könnten in die Klebeschicht migrieren und deren Eigenschaften verändern. Diese Schritte haben wir großteils hinter uns und sind nun dabei, die Produktion umzustellen.
Welches Produkt ist aus Ihrer Sicht das aktuell ökologischste in Ihrem Sortiment?
Würz: Eines unser nachhaltigsten Produkte ist das 397-Masking-Tec-Cover: PEFC-zertifiziertes Abdeck-Papier in Kombination mit Feinkrepp. Es eignet sich gut, um Böden bei Malerarbeiten zu schützen, gerade beim Airless-Spritzen. Das dünne, aber gleichzeitig extrem beständige Papier spart gegenüber herkömmlichem Abdeckvlies eine Menge Müll. Je nach Verschmutzung kann es auch wieder verwendet oder in der Papiertonne entsorgt werden.
Stichwort Klebstoff: Der ist aus Nachhaltigkeitssicht vermutlich die schwierigste Komponente.
Würz: Der Klebstoff ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil von Klebeband. Hier hat jeder Anbieter seine eigene Rezeptur. Recycelte Rohstoffe lassen sich hier kaum verwenden. Da geht es eher um den Verzicht auf Lösemittel, wie wir dies bei vielen Produkten tun, etwa den Washi-Tec-Bändern, selbstklebenden Schutzfolien, PE-Bändern oder beim Ultra-Sharp-Band. Zudem gewinnen wir die Lösemittel im Produktionsprozess zurück und verwenden sie wieder. Man darf Lösemittel aber auch nicht generell verteufeln. In manchen Bereichen, etwa bei Naturkautschukklebstoffen, funktionieren sie bislang oft noch besser.
Wie steht es um die weiteren erwähnten Nachhaltigkeitsziele, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und Bindung von Gemeinschaften?
Würz: Seit einigen Jahren nutzen wir großteils FSC- oder PEFC-zertifizierte Papiere. Damit stellen wir unter anderem sicher, dass für unsere Produkte keine Wälder abgeholzt oder indigene Gesellschaften vertrieben werden. Wir wollen möglichst ganzheitlich denken. Was nützt zum Beispiel ein T-Shirt aus Biobaumwolle, wenn es unter unwürdigen Bedingungen von Kindern genäht wird? Unsere Produktionsstätten sind denn auch zertifiziert. Zum ganzheitlichen Ansatz gehört übrigens neben dem Produkt auch die Verpackung.
Inwiefern?
Würz: Auch hier lässt sich einiges tun. So sind etwa Verpackungsmaschinen weltweit auf das wenig umweltfreundliche PVC ausgelegt, das mittels Hitze geschrumpft wird. Das ist kostengünstig und funktioniert gut. Dennoch versuchen wir PVC durch nachhaltigere Materialien zu ersetzen, auch wenn es etwas aufwendiger ist. Und vor allem, Verpackung auf das Nötigste zu reduzieren. Am Ende sind es eben viele kleine Schritte, die uns auf dem Weg zu einem nachhaltigen Produkt voranbringen.
Jürgen Baltes