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20. Mai 2024
Delia Constanze Roscher
Next Generation

„Zum ersten Auftrag gings mit dem Fahrrad.“

Der Weg ins Handwerk verläuft für manche über Umwege und Zufälle. Yousuf Alabeedi hatte nie vor, Handwerker zu werden. Der selbstständige Malermeister erzählt, wieso er es dann doch wurde.
Yousuf
Foto: Malermeister Alabeedi
Yousuf vor seinem Firmenwagen.

Malermeister Yousuf Alabeedi, Braunschweig

Yousuf Alabeedi ist kein Typ, der lange um den heißen Brei redet. „Ich hatte nie geplant, dass ich Handwerker werde“, erzählt er mir im Interview. Es war also ein Zufall, dass er heute Maler- und Lackierermeister ist? Wir springen zurück.

Yousuf ist eines von vier Kindern, sein Vater ist Archäologe, seine Mutter ist Englisch-Lehrerin. Geboren ist er in Bengasi, Libyen. Seit sechs Jahren lebt er in Deutschland. „Ich habe die Minuten gezählt, bis ich 18 wurde und nach Deutschland konnte.“ In seiner Kindheit besuchte er gemeinsam mit seiner Mutter Verwandte in Braunschweig. Der Besuch prägte ihn für immer und er träumte von einem Leben in Deutschland. Nach dem Abitur war es dann endlich soweit: Mit 300 Euro in der Tasche ging es nach Braunschweig. Seine Eltern wollten, dass er studierte, wie seine Geschwister. Yousuf dagegen verfolgte seinen großen Traum: Ein Unternehmen zu gründen. „Andere Kinder spielten mit Autos, ich habe ‚Chef‘ gespielt. Meine Cousine war meine Sekretärin, mein Cousin mein Angestellter“, erzählt er lachend. Sein erstes Ziel in Deutschland war, die Sprache zu lernen. „Ich habe unzählige Bücher gelesen und mir viele YouTube-Videos angesehen.“ Dazu kommt, dass er ein sehr extrovertierter Mensch ist und gerne mit Menschen spricht. Schnell fand Yousuf einen Job als Kellner und baute sich einen Freundeskreis auf.

Eine Begegnung änderte alles

Eines Tages lernte er bei seiner Arbeit einen Malermeister kennen. „Er bot mir an, bei ihm eine Ausbildung zu beginnen. Er sah, dass ich flink und schnell bin, so bin ich zum Handwerk gekommen.“ Seine Eltern waren erst nicht begeistert. „Sie fragten mich: Wie willst du leben? In Libyen verdienst du als Maler nichts. Das kann man nicht mit dem deutschen Handwerk vergleichen. Mir war vorher auch nicht bewusst, dass man als Handwerker in Deutschland so wertgeschätzt wird.“ Dann konnte es für Yousuf nicht schnell genug gehen. „Ich meldete mich an der Meisterschule im dritten Lehrjahr an, obwohl ich noch kein Geselle war. Alle meinten, ich sei verrückt, aber ich habe an mich geglaubt.“

Das
Foto: Malermeister Alabeedi
Ein Blick ins Büro von Yousuf.

Der Glaube an sich selbst zahlte sich aus

Yousuf bestand die Ausbildung und zog den Meisterkurs innerhalb eines Jahres durch. „Ich habe mich an dem Tag, an dem ich Meister geworden bin, selbstständig gemacht.“ Das war der 1. April 2022. Er ließ eine Website erstellen, schaltete online Werbung und nach einem Monat stellte er seinen ersten Mitarbeiter ein. Zu seinem ersten Kundenauftrag fuhr er damals noch mit dem Fahrrad. „Über diesen Auftrag – 165 Euro betrug er – habe ich mich wahnsinnig gefreut! In einem Marmeladenglas habe ich die Spachtelmasse mitgenommen, noch zwei Kellen in meinem Rucksack gepackt und los gings.“ Heute geht es mit seinen beiden Mitarbeitern und Firmenwagen zu Aufträgen. Geholfen hat die Werbung, aber auch die Mundpropaganda. Yousuf legt viel Wert auf zufriedene Kunden, denn sie empfehlen ihn weiter. Zufrieden sollen auch seine Mitarbeiter sein. „Ich versuche ein fairer Chef zu sein und meine Mitarbeiter wertzuschätzen. Es muss nicht alles nach Stechuhr laufen.“ Am 1. August 2023 fing sein erster Lehrling an. „Für mich ist es wichtig, dass mir jemand zeigt, was er kann, nicht woher er kommt.“

Malermeister
Foto: Malermeister Alabeedi
Auf den Baustellen wird angepackt.

Große Pläne für die Zukunft

„Für mich ist ‚Malermeister Alabeedi‘ mein Herz und meine Seele. Ich liebe was sich tue und es ist mein Leben“, sagt er ungewohnt ernst. Yousuf weiß, dass sich alles sehr einfach anhört, wenn er heute darüber spricht. Aber natürlich gab es Höhen und Tiefen. „Ich bin in Deutschland angekommen und hatte nichts. Ich habe von Null angefangen. Aber ich habe immer an mich geglaubt und Gas gegeben.“ Heute bekommt er von seiner Frau Unterstützung. Kurz vor der Hochzeit steckte er noch mitten in einem großen Projekt – und hatte noch keinen Anzug. „Sie meinte zu mir: Willst du mich in Malerklamotten heiraten?“

Gab es auch einen Plan B? „Ich weiß nicht, was ich Libyen gemacht hätte. Vermutlich Archäologie studiert, wie mein Vater es wollte. Eltern wollten gerne, dass die Kinder in ihre Fußstapfen treten.“ Ob seine zukünftigen Kinder mal seinen Betrieb übernehmen wollen, überlässt er ihnen dann. „Ich träume schon von einem Familienbetrieb, am liebsten in allen 16 Bundesländern.“ Kein Zweifel, wenn es einer schafft, dann Malermeister Alabeedi.

Dieser Beitrag erschien in der Mappe 09/2023. Mit einem Abo bekommen Sie die Mappe monatlich nach Hause gesendet – oder lesen sie bequem als E-Paper.

Foto: manuta/Adobe Stock
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