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Hilft
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Hilft das neue GEG, um die Klimaziele zu erreichen? Foto: Piotr Krzeslak/stock.adobe.com

Lange wurde gerungen, bevor das Gebäudeenergiegesetz (GEG) am 1. November 2020 endlich in Kraft getreten ist. Die gute Nachricht: Es ersetzt drei bisher gültige Gesetze: die Energieeinsparungsverordnung (EnEV), das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG). Die schlechte Nachricht: Im Hinblick auf die Effizienzstandards hat sich nicht viel geändert. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bringt es auf den Punkt: „Mit dem drei Jahre verspäteten Inkrafttreten des Gebäudeenergiegesetzes zementiert die Bundesregierung den klimapolitischen Stillstand im Gebäudesektor mit deutlich zu niedrigen Energieeffizienzstandards.“ Die Bundesregierung müsse im Gebäudeenergiegesetz schnellstmöglich Effizienzstandards anheben, um Klimaziele im Gebäudebereich noch zu erreichen, wonach bis zum Jahr 2050 ein „nahezu klimaneutraler“ Gebäudebestand erzielt werden soll. Gebäude sollen dann nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen, der dann mit erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Bis 2023 sollen die Anforderungen an Neu- und Bestandsbauten überprüft und anschließend gegebenenfalls weiterentwickelt werden.
Im Interview stellt sich Dr. Hans-Joachim Riechers, Hauptgeschäftsführer Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. Berlin hinter die Strategie der Bundesregierung im Hinblick auf energetische Modernisierung. Er betont aber auch den Wunsch heutiger Bauherren, unabhängig vom GEG einen hohen energetischen Standard haben zu wollen und die entscheidende Rolle, die Fachunternehmen hier in der Beratung spielen.
 
„Wer heute neu baut, will unabhängig vom GEG einen hohen energetischen Standard, zu dem immer auch eine Wärmedämmung gehört.“
 
Mappe: 2020 kam es im Gebäudesektor in Deutschland zwar zu einer Emissionsminderung beim CO2-Ausstoß, trotzdem überschreitet der Gebäudesektor seine Jahresemissionsmenge gemäß Klimaschutzgesetz. Das GEG enthält auch keine höheren Anforderungen und die Sanierungsrate liegt bei unter einem Prozent. Um die Klimaziele zu erreichen und bezahlbares Wohnen auch für die Zukunft zu gewährleisten, muss die Sanierungsquote auf über drei Prozent anwachsen. Wie beurteilen Sie die Lage in punkto Gebäudesanierung?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Zum einen reden wir schon lange nicht mehr von energetischer „Sanierung“. Die Gebäude, um die es geht, sind weder marode noch krank. Wir wollen intakte und bewohnte Gebäude „modernisieren“ und auf den neuesten Stand der Technik bringen. Und wir wollen die Besitzer*innen solcher immobilien mit guten Argumenten überzeugen – und nicht mit Gesetzen und Verboten zu etwas zwingen, was sie gar nicht wollen. Die neuen Förderprogramme der Bundesregierung sind genau der richtige Weg. Das macht manchen immobilienbesitzer*innen die Entscheidung leichter. Ob wir eine Modernisierungsquote von drei Prozent erreichen, werden wir sehen. Erzwingen kann man sie nicht.
Mappe: Die Bundesregierung setzt mit dem GEG nicht auf Zwang, sondern auf intensive Förderung von ambitionierten Standards durch Fördermittel aus dem BEG. Wie lassen sich mit diesem Prinzip der Freiwilligkeit und Förderung die Klimaziele erreichen?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Der Weg der Bundesregierung ist der richtige. Wir versuchen, diesen Weg zu unterstützen, indem wir die immer noch sehr komplexen Förderbedingungen möglichst einfach erläutern und so das Interesse potenzieller Modernisierer wecken. Wir setzen dabei voll auf Freiwilligkeit. Überzeugende Argumente, hervorragende Produkte und eine attraktive Förderung sind die Mittel der Wahl.
Mappe: Wie stufen Sie die Maßnahmen an der Gebäudehülle im Sinne der Wärmedämmung im GEG ein, was ist gut, was hätten Sie sich gewünscht?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Man darf die Wirkung der Anforderungen des GEG nicht überschätzen. Wer heute neu baut, will unabhängig vom GEG einen hohen energetischen Standard, zu dem immer auch eine Wärmedämmung gehört. Wichtig ist, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Spätestens im Jahr 2050 sollen alle Gebäude klimaneutral sein. Dann ist ein Heizen mit fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl nicht mehr möglich. Der Umstieg auf erneuerbare Energie setzt voraus, dass Gebäude zuvor „fit“ gemacht werden. Denn Wärme aus erneuerbarer Energie steht nicht unbegrenzt und überall zur Verfügung, sondern überwiegend nur im sogenannten „Niedertemperaturbereich“. Um hier optimal präpariert zu sein, muss das Gebäude gedämmt werden.
Mappe: Wie bisher kann laut GEG ein intakter Putz mit einer zusätzlichen Armierungslage und Oberputz überarbeitet werden – eine Forderung zu dämmen gibt es dabei nicht. Wie beurteilen Sie das?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Was sollten wir dagegen haben? Sollen wir erklären, dass man sein Haus solange nicht neu verputzen darf, bis man die finanziellen Mittel für eine energetische Modernisierung beisammen hat? Gut fänden wir allerdings, wenn das ausführende Fachunternehmen Hausbesitzer*innen auf die Möglichkeiten einer energetischen Modernisierung ausdrücklich hinweisen und in diesem Sinne beraten würde.
Mappe: In der VDPM-Broschüre zum BEG ist vermerkt, dass jeder modernisierte Quadratmeter mit 20 Prozent bzw. 200 Euro Zuschuss gefördert werden kann. Wie schätzen Sie diesen Anreiz ein, können die Fördermittel aus dem BEG wirklich helfen, die Sanierungsquote zu erhöhen oder welche Anreize braucht es jetzt, dass Hausbesitzer*innen mehr dämmen?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Die neuen Förderprogramme sind wirklich hilfreich und werden intensiv genutzt. Vor allem, weil sie nicht nur selbstgenutztes Wohneigentum, sondern auch Gewerbeimmobilien und den vermieteten Gebäudebestand einbeziehen. Jetzt müssen wir den potenziellen Modernisierer*innen die Programme erläutern und Werbung dafür machen. Dann wird sich auch die Modernisierungsquote erhöhen.

Mappe: Wie bewerten Sie die Förderung von Einzelmaßnahmen im GEG auf der Grundlage eines individuellen Sanierungsfahrplans, auch im Hinblick auf die Priorisierung der Maßnahmen bei der Energieberatung? Welchen Stellenwert hat hier die Dämmung?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Der individuelle Sanierungsfahrplan ist das Ergebnis einer ausführlichen Energieberatung. Aber auch dieses Instrument darf nicht überschätzt werden. Was die Energieberatung im Einzelnen empfiehlt und aufschreibt, hängt immer auch von der Qualifikation ab. Immobilienbesitzer*innen und Wohnungsbauunternehmen kennen ihre immobilien in der Regel sehr gut und wissen, was modernisiert werden muss und in welcher Reihenfolge. Entscheidend ist, dass wir zu einem klimaneutralen Gebäudebestand kommen. Das geht nicht ohne eine ausreichende Wärmedämmung.
Mappe: Wie beurteilen Sie die Innovationsklausel im Hinblick auf die Nachweismöglichkeit über CO2-Emissionen anstelle des Primärenergiebedarfs sowie im Hinblick auf die Quartierlösung?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Die Innovationsklausel wurde von der Wohnungswirtschaft gewünscht, um mehr Freiheitsgrade bei der energetischen Modernisierung abgegrenzter Quartiere zu haben. Wir legen großen Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft und können diesen Wunsch nachvollziehen. Wie auch immer man am Ende den Nachweis führt: Das Ziel ist ein klimaneutraler Gebäudebestand, der ohne fossile Energieträger auskommt und somit keine CO2-Emissionen mehr verursacht.
Mappe: Der Bauherren-Schutzbund sieht Probleme durch die aktuell nicht verschärften Energieeffizienzregeln: Bauherren verlören durch die mögliche Verschärfung langfristige Planungssicherheit. Bauen sie heute ein Haus nach den GEG-Mindeststandards, könnte eine Regelverschärfung das neue Gebäude bereits im Jahr 2023 energetisch veralten lassen. Was sollten Handwerker*innen ihren Kund*innen diesbezüglich raten?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Ein guter Rat wäre beispielsweise: „Bauen oder modernisieren Sie Ihr Gebäude so, dass es effizient mit einer Niedertemperaturheizung unter ausschließlicher Verwendung erneuerbarer Energie beheizt werden kann und damit keine CO2-Emissionen mehr verursacht.“
Mappe: Wie haben sich die Negativberichte der letzten Jahre in den Medien über Polystyrol-WDVS auf den Absatz und die Nachfrage nach WDVS allgemein ausgewirkt?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Die Negativberichte haben sich natürlich ausgewirkt und tun es bis heute. Wir als VDPM stehen für einen Neuanfang. Wir argumentieren sachbezogen, wir übertreiben nicht, unsere Informationen sind transparent und nachvollziehbar. Vor allem aber sind wir allen Dämmstoffen gegenüber aufgeschlossen und keineswegs auf einen Dämmstoff festgelegt. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Gebäude zu dämmen. Unsere Mitgliedsunternehmen decken die gesamte Bandbreite ab.
Mappe: Was können die Handwerksbetriebe tun, welche Unterstützung gibt es im Marketing?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Fachunternehmen sind häufig der erste und damit wichtigste Ansprechpartner für private immobilienbesitzer*innen. Wir unterstützen mit Info-Material – aktuell zum Beispiel mit unseren Broschüren, in denen die steuerliche Förderung und die Förderprogramme des Bundes erklärt werden.
Mappe: Welche Chancen haben alternative Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen auf dem Markt, auch im Hinblick auf die Bewertung der „grauen Energie“?
Dr. Hans-Joachim Riechers: Es ist gut, dass es Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gibt. Die Wahl des Dämmstoffs obliegt Bauherren oder Modernisierer. Im Hinblick auf die „graue Energie“ macht es allerdings keinen Unterschied, welchen Dämmstoff man wählt. Die „graue Energie“, also die Energie, die zur Herstellung und späteren Entsorgung des Dämmstoffs aufgewendet werden muss, ist im Lebenszyklus eines Gebäudes überhaupt nicht maßgebend. Wer es genauer wissen will, schaut in unser Fact­sheet „Verschlingt die Herstellung einer Wärmedämmung mehr Energie als man hinterher einspart?“
Dieses Interview erschien in gekürzter Form in der Printausgabe der Mappe 06/2021.

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