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Foto: Bernd Ducke/Mappe

Die DGUV-Information FB HM-071 informiert u. a. über Risiken bei der Spritzverarbeitung von Beschichtungsstoffen

Nach wie vor sind wichtige Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Verwendung von Beschichtungsstoffen mit Nanopartikeln offen. Trotz des hohen personellen und finanziellen Aufwands in Untersuchungen und Forschungsvorhaben auf deutscher und internationaler Ebene existieren derzeit nur wenige konkrete Aussagen über das Gefährdungspotential nanoskaliger Objekte. Die REACH-Verordnung verpflichtet die Rohstoffhersteller, entsprechende Informationen in den nächsten Jahren bereit zu stellen. Es gibt Vermutungen, dass bestimmte Nanopartikel wegen ihrer geringen Größe oder ihrer neuen Eigenschaften durch Schutzmechanismen des Körpers nicht abgewehrt werden und zu Beeinträchtigungen der Gesundheit führen könnten. Die DGUV-Information „FB HM-071“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallverhütung DGUV informiert ausführlich über die Risiken. Die Information steht hier zum Download zur Verfügung.
Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung infomiert auf seiner Homepage ebenfalls zu ultrafeinen Aerosolen und Nanopartikeln am Arbeitsplatz und stellt weiterführende Informationen zur Verfügung.
Die Fachbereiche der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sind Gremien, die sich detailliert mit Einzelfragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Industrie, Handwerk und Gewerbe auseinandersetzen. Darin vertreten sind die Sozialpartner, die Hersteller, die Berufsgenossenschaften sowie die Fachverbände. Sie entsenden Fachleute, die auf das jeweilige Gebiet spezialisiert sind, in die Arbeitskreise der Fachbereiche. Mit der Herausgabe der DGUV-Informationen stellt die BGHM Hinweise und Erläuterungen zur Verfügung, die die aktuellen Themen der betrieblichen Praxis ergänzen.

Gefährliches Weiß?
Seit einiger Zeit ist das Weißpigment Titandioxid in der Diskussion. Wird der Stoff, der zwar überwiegend in der Farben- Lack- und Druckfarbenindustrie eingesetzt wird, aber auch in vielen anderen Bereichen, nun als potenziell krebserregend eingestuft oder doch nicht? Eine Bestandsaufnahme. [tttgallery] Kaugummis sind genauso damit überzogen wie viele Tabletten. Mozzarella erhält dadurch seine strahlend weiße Farbe, aber auch in Eiscreme, Käse, Aufstrichen, Erfrischungsgetränken und vielen anderen Lebens- und Futtermitteln kommt Titandioxid zum Einsatz. Als Lebensmittelzusatz ist Titandioxid (TiO2) unter der E-Klassifizierung 171 bekannt. Man findet das Weißpigment auch in vielen Kosmetikprodukten, etwa in Sonnencremes als UV-Blocker oder in Zahnpasta, überall dort, wo etwas aufgehellt oder abgedeckt wird. So auch in Kunststoffen, Textilien und bei der Papierherstellung. Titandioxid ist eine der vielseitigsten Verbindungen weltweit, die wegen ihrer herausragenden weißverstärkenden Eigenschaften auch als das »perfekte Weiß« oder das »weißeste Weiß« bekannt ist. Mit über 57 Prozent wird Titandioxid am häufigsten in Lacken, Farben und Druckfarben eingesetzt. Es ist mit Abstand das wichtigste Pigment der Lack-, Farben- und Druckfarbenindustrie. Kein Wunder, dass die Farben- und Lackhersteller und der Verband der Deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V. (VdL) alarmiert sind, wegen der aktuellen Diskussion um eine Einstufung des Weißmachers als »potenziell krebserregend«, die eine Studie französischer Forscher ins Rollen brachte. Wichtigster Rohstoff in Farben und Lacken »Es ist der wichtigste Rohstoff zur Herstellung von weißen und bunten Farben, Lacken und Druckfarben. Je besser eine Farbe deckt, desto höher ist der Weißgehalt, also der Anteil an Titandioxid«, schreibt der VdL in seinem Themenspezial »Titandioxid« vom März 2018 auf www.wirsindfarbe.de. Titandioxid wird seit 100 Jahren gewerblich genutzt. Die helle weiße Substanz hat aufgrund des hohen Licht-Streuvermögens ihrer Kristalle das höchste Deckvermögen aller Weißpigmente und kann UV-Strahlen sowohl streuen als auch absorbieren. Im Gegensatz zu anderen weißen Materialien, die im Licht leicht gelblich erscheinen, zeigt TiO2 aufgrund der Art wie es UV-Licht absorbiert, keinen Gelbstich, sondern ein reines Weiß. Beim Einsatz in Farben und Lacken wird es als »Titanweiß«, »Pigment White 6« oder »CI 77891« bezeichnet. 2015 wurden ca. 8.7 Millionen Tonnen TiO2 produziert, ein Drittel (ca. 5,3 Millionen Tonnen) davon wurde zu Pigmenten weiterverarbeitet. Von den 2.328 erhältlichen RAL-Farben werden nur 119 ohne Titandioxid hergestellt. Einstufung als potenziell krebserregend vorgeschlagen Den Anstoß machte eine neue Studie französischer Forscher, die die Wissenschaftlerin Sarah Bettini und ihre Kollegen vom Institut Toxalim der Universität Toulouse im Jahr 2017 in der Fachzeitschrift »Science Report« veröffentlichten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Titandioxid bei Ratten das IMMunsystem schädige und präkanzeröse Läsionen, das heißt potenziell in Krebs übergehende Gewebeveränderungen fördere. Bei den untersuchten Ratten seien durch die Gabe von Titandioxid verstärkt Darmentzündungen und solche Gewebeveränderungen entstanden. Die Forscher schränkten jedoch ein, dass eine Übertragung dieser Ergebnisse auf den Menschen nicht ohne weiteres möglich sei. Vielmehr handele es sich zunächst um eine akademische Studie zur Gewinnung neuer Daten und nicht um eine Risikoanalyse. [tttgallery template="content-slider"] Weitere Untersuchungen durch Behörden für Lebensmittelsicherheit müssten nunmehr durchgeführt werden, rieten die französischen Forscher. Die französische Regierung hat nach Bekanntwerden der Forschungsergebnisse reagiert und bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA eine harmonisierte Einstufung von Titandioxid als wahrscheinlich kanzerogen (Kategorie 1B) vorgeschlagen. Eine Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags fasst den Sachstand so zusammen: »Die Untersuchungsergebnisse könnten gleichwohl einen ersten Gesundheitsalarm für Behörden und Kunden auslösen.« Studienergebnisse differenziert betrachten Der Vorschlag der französischen Regierung, Titandioxid als »wahrscheinlich kanzerogen« einzustufen, wird von einigen Wissenschaftler und Ärzten geteilt, die besorgt um die menschliche Gesundheit sind, ebenso wie Umweltverbände, die sich zudem Gedanken um die Umweltauswirkungen von Titandioxid machen. Industrieverbände und die Abfallwirtschaft dagegen plädieren für eine differenzierte Betrachtungsweise. Sie hinterfragen die Studienergebnisse und fordern auch die Folgen einer Einstufung von Titandioxid als »potenziell krebserregend« für die Wirtschaft und die Gesellschaft zu betrachten. Zu einer differenzierten Betrachtungsweise gehöre die Unterscheidung, zum einen in welcher Form Titandioxidpartikel vorkommen, ob als Nanopartikel oder in größeren Einheiten. Kein Gefährdungspotenzial für Maler und Hersteller In Farben und Lacken ist das Weißpigment Titandioxid fest gebunden, für Maler und Verbraucher besteht keine Gefahr, wie der VdL im Mappe-Interview der neuen Oktober-Ausgabe beschreibt. Damit wären allenfalls Industriearbeiter in der Farbenherstellung betroffen. Doch auch hier gibt der VdL Entwarnung: »Eine inhalative Exposition gegenüber Titandioxid-Stäuben ist an industriellen Arbeitsplätzen in der Farbenherstellung prinzipiell möglich. Die meisten EU-Mitgliedstaaten haben daher Staubgrenzwerte am Arbeitsplatz eingeführt, um wirksam vor allgemeinen Partikeleffekten zu schützen. Deutschland ist mit seinen sehr niedrigen Staubgrenzwerten international Vorreiter. Im Übrigen haben jahrzehntelange Untersuchungen an circa 24.000 Arbeitern in 18 Titandioxid-Fabriken keine negativen Auswirkungen von Titandioxid-Stäuben auf die Gesundheit gezeigt.« [tttgallery] Auch das Umweltbundesamt sieht keine Gefahr wie Pressesprecher Felix Poetschke mitteilt: »In Farben und Lacken liegt Titandioxid als Emulsion vor und ist damit komplett in Flüssigkeit gelöst. Nach unserer Kenntnis gibt es bei der Verarbeitung und Verwendung titandioxidhaltiger Farben und Lacke bei üblichen Streich- und Rollanwendungen keine spezifischen Gefahren, da eine Exposition mit Titandioxidstäuben nicht gegeben ist. Eine Exposition gegenüber titandioxidhaltigen Stäuben kann im Umfeld von Produktionsprozessen entstehen. Für Fragen zum Schutz am Arbeitsplatz ist jedoch nicht das Umweltbundesamt, sondern die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zuständig.« Weil das Titandioxid in der Flüssigkeit gelöst ist, dürften Farben und Lacke weiterhin mit dem Umweltengel ausgezeichnet werden. »Der Blaue Engel schreibt zudem seit langem vor, dass auf dem Gebinde folgende Warnhinweise vorhanden sein müssen: »Bei Spritzarbeiten Kombifilter A2/P2 verwenden« und »Bei Schleifarbeiten Staubfilter P2 verwenden«.  VdL will eine Einstufung verhindern »Zuvor hatte die EU-Kommission einen Arbeitsvorschlag vorgelegt, wonach die Einstufung auf pulverförmige Gemische beschränkt sein soll, die ein Prozent oder mehr titandioxidhaltige Partikel mit einem Durchmesser unter 10 μm enthalten. Flüssige Farben und Lacke wären damit von einer Kennzeichnung ausgenommen. Unklar bleiben allerdings die Folgewirkungen einer solchen begrenzten Einstufung. Der VdL setzt sich deshalb weiterhin dafür ein, dass es zu keiner Einstufung kommt«, sagt VdL Hauptgeschäftsführer Dr. Engelmann auf Nachfrage der Mappe. »Unsere Argumente finden zunehmend Gehör: Die Mehrheit der Experten in diesem Gremium hat Bedenken gegen den Einstufungsvorschlag vorgebracht und sich für weitere Diskussionen ausgesprochen. Als Alternative wurde vorgeschlagen, auf eine Einstufung zu verzichten und lediglich eine Gefahrenkennzeichnung für Titandioxid-Pulver einzuführen. Die Kommission prüft derzeit ihr weiteres Vorgehen«, erläutert Dr. Engelmann. Bis wann mit einer endgültigen Entscheidung zur Einstufung von Titandioxid gerechnet werden könne, sei »völlig unklar, zumal noch gar kein of zieller Einstufungsvorschlag auf dem Tisch liegt. Sollte sich die Kommission für eine Einstufung entscheiden, könnte bis Jahresende eine Entscheidung im REACH-Regelungsausschuss erfolgen«, hofft Dr. Engelmann. Anschließend würde die neue harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung als Anpassung an den technischen Fortschritt bezüglich der CLP- Verordnung (ATP) veröffentlicht werden und nach einer Übergangsfrist von 18 Monaten in Kraft treten. Laut dem Umweltbundesamt wird die Bewertung in 2019 abgeschlossen sein und bleibt abzuwarten. »Das Umweltbundesamt hat daher bisher keine vertiefende eigene Bewertung vorgenommen«, sagt der Pressesprecher Felix Poetschke. Mehr zu dem spannenden Thema rund um das Weißpigment, sowie das vollständige Interview mit Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des VdL, lesen Sie in der neuen Mappe, die am 1.10.2018 erscheint.
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Foto: manuta/Adobe Stock
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