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Foto: Bernd Ducke/Mappe

(ZU­FR­IE­DE­NE) MA­L­ER­LEHR­LIN­GE WER­DEN IM­MER SEL­TE­NER. WIE GE­GENSTEU­ERN? Foto: Bernd Ducke/Mappe

Handwerksbetriebe werden im Hinblick auf Ihre Ausbildungsleistung oft auch als „Facharbeiterschmiede der Nation“ bezeichnet, da sie in der Vergangenheit und bis heute weit über den eigenen Bedarf hinaus junge Fachkräfte ausbilden und so auch den „Humankapitalbedarf“ anderer Wirtschaftszweige mit abdecken. Doch was tun, wenn das Eisen zum Schmieden fehlt, das heißt, junge Menschen, die einen Handwerksberuf erlernen möchten? Wenn Schulabgänger lieber ein Studium beginnen als eine Berufsausbildung, wenn geeignete Bewerber fehlen und die Geeigneten andere Berufe vorziehen? Das Fehlen von Malerlehrlingen ist der Beginn der Facharbeitermangelspirale. Dann fehlen bald Gesellen, Meister und Führungskräfte. Das System droht zusammenzubrechen. Denn die Berufsausbildung, hier in Deutschland das duale System, ist die Grundvoraussetzung für die Gewinnung von Fachkräften. Es ist die erste Schwelle oder Hürde im Wettbewerb um Fachkräfte. [ttt-gallery-image]
Über zehn Prozent weniger Malerlehrlinge
Im Gesamthandwerk konnte der Abwärtstrend des Vorjahrs gestoppt werden, das ist immerhin erfreulich. Der ZDH meldet, dass die Handwerksbetriebe bis zum 30. September 2014 genau 128.498 Ausbildungsverträge abgeschlossen haben – das ist nur noch ein Minus von 1,6 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern wurde der Abwärtstrend gebremst. Doch das sieht in den einzelnen Berufen ganz unterschiedlich aus. So auch bei den Malern und Lackieren: Der ZDH-Statistik zufolge wurden 2013 bundesweit nur noch 17.021 junge Menschen zu Malern und Lackierern ausgebildet. Das sind im Vergleich zum Vorjahr (2012) 1.920 Azubis weniger oder ein Minus von 10,4 %! Betrachtet man die letzten 10 Jahre, so gab es 2003 noch 34.670 Malerlehrlinge, mehr als doppelt so viele wie heute. Die Handwerkskammern unternehmen immer größere Anstrengungen, um Bewerber und Betriebe erfolgreich zusammenzubringen. Das zeigt zum Beispiel die Auflistung des mittlerweile dafür notwendigen Personals in der Handwerkskammer der Pfalz: Neben den klassischen Ausbildungsberatern gibt es dort vier Coachs für die betriebliche Ausbildung, eine Migrationsnetzwerkerin, zwei so genannte Matching-Spezialisten, zwei Betreuer für die Einstiegsqualifizierungen, einen Betreuer zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen und eine Mobilitätsberaterin, schreibt das Handwerksblatt.
Malerlehrlinge sind unzufrieden wie nie
Gerade einmal zwei Drittel der an einer Ausbildung interessierten jungen Menschen finden eine Lehrstelle, während die Betriebe vermehrt über unbesetzte Ausbildungsplätze klagen. „Besetzungsschwierigkeiten gibt es meist in den Berufen, die massive Probleme mit der Ausbildungsqualität haben“, erklärt Florian Haggenmiller vom DGB bei der Vorstellung des neunten Ausbildungsreports der DGB-Jugend, zu dem 18.357 Lehrlinge aus den laut BIBB 25 häufigsten Ausbildungsberufen befragt wurden. Demnach sind zwar 71,4 % mit der Ausbildungsqualität zufrieden, aber mehr als jeder Zehnte muss ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben, bei mehr als jedem Dritten fallen regelmäßig Überstunden an und die Betreuung durch Ausbilder ist nicht immer sichergestellt. Als Folge wird fast jeder vierte Ausbildungsvertrag aufgelöst, im Maler- und Lackiererhandwerk sogar 38,4%, in einzelnen Betrieben und Regionen liegt die Abbrecherzahl noch deutlich darüber! Es gibt große Unterschiede zwischen den Branchen und Berufen. Während die angehenden Industriemechaniker, Industrie- und Bankkaufleute mit ihrer Ausbildung zufrieden sind, bilden einige Berufe des Handels und des Handwerks vor allem der Gastronomie, der Hotellerie aber auch Maler und Lackierer das Schlusslicht der Befragung.
Mit qualifizierter Ausbildung gegensteuern
„Ausgezeichnet Ausbilden …“ ist das Motto der Mitgliedsbetriebe der Aktionsgemeinschaft Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb. In dieser bereits vor vielen Jahren vom LIV Hessen ins Leben gerufenen Initiative haben sich inzwischen neben gut 50 Malerbetrieben aus Hessen weitere Unternehmen aus Schleswig-Holstein bis Bayern zusammengeschlossen und besondere Qualitätskriterien für die betriebliche Ausbildung entwickelt. Dazu zählt die Schulung der Gesellen zu „Ausbildungsgesellen“ ebenso wie ein besonderes Scheckheft für den Lehrling, um ihm Hilfen und Unterstützung in seiner Ausbildungszeit anzubieten. So können Auszubildende mit dem Scheckheft spezielle Ausbildungshilfen, Ausbildergespräche oder den Besuch von Fachmessen einfordern. Traditioneller Höhepunkt der betrieblichen Ausbildung ist die jährliche Lehrlingsbaustelle in Brebbia/Italien, einer bewährten Mischung aus Arbeit und Freizeit. Ein weiterer Vorteil der Mitgliedschaft in Hessen sind die regelmäßigen Ausbilderbriefe der Ausbildungstrainerin Melanie Schwalm wie z. B. „Heute schon ›gekniggt‹?“, bei dem es um den sicheren und sympathischen Auftritt beim Kunden geht. Betriebe, die alle Güteversprechen erfüllen, erhalten das drei Jahre gültige Qualitätssiegel der Aktionsgemeinschaft als „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“. „Sind die Leistungen der Lehrlinge aus den qualifizierten Betrieben nun wirklich besser als die der anderen Auszubildenden?“. Diese Frage stellten wir Ingeborg Totzke, Geschäftsführerin des Verbands Farbe Gestaltung Bautenschutz Hessen. Für sie ist auffallend, dass sich unter den drei Besten der Leistungswettbewerbe auf Landes- und Bundesebene immer Lehrlinge aus Betrieben der Arbeitsgemeinschaft finden. Außerdem ist deren Ausbildungsbereitschaft höher und die prozentualen Vertragsauflösungen deutlich geringer als bei den Gesamtabbrechern.
Beim „Grünen“ werden die Lehrlinge geschliffen, aber zu Brillanten
Nur eine Werbeaussage des Malerbetriebs Micheluzzi in Hard bei Bregenz (Vor-arlberg)? Grün ist das farbliche Markenzeichen, auffallend in der Arbeitskleidung. 18 Platzierungen beim Leistungswettbewerb auf Landesebene, 13 auf Bundesebene in Österreich und zwei Weltmeister innerhalb der letzten 21 Jahre sind ein deutlicher Beweis, dass das Unternehmen weit über das normale Maß in die Ausbildung seines Nachwuchses investiert. Davon konnten wir uns bei einem Besuch am Bodensee und im Gespräch mit Kurt Micheluzzi überzeugen. Ganz vorn steht sein Sohn Christian, der 1995 bei der Berufsolympiade in Lyon die Goldmedaille gewann, und seit diesem Zeitpunkt für die Geschicke des Facharbeiternachwuchses verantwortlich zeichnet. Er ist  seit 2010 in vierter Generation geschäftsführender Gesellschafter des Malerbetriebs. Das Traditionsunternehmen ist weit über die Grenzen hinaus als „buntester Hund“ der Branche bekannt, nennt sich seit 1974 „Der Grüne“ – heute mit dem Zusatz MFB-Technik, was für Maler, Farbgestalter und Beschichtungstechniker steht. 1978 erhielt das Unternehmen den Staatspreis für vorbildliche Werbung, 1995 als erster Malerbetrieb in Österreich die Zertifizierung nach ISO 9001 und seit1996 hat es die größte Hocharbeitsbühne des Landes mit einer Arbeitshöhe von 45 m im Einsatz – um nur einige Meilensteine zu nennen. Die Lehrlingsausbildung hat beim „Grünen“ höchsten Stellenwert, um den Anforderungen, die auf die jungen Facharbeiter zukommen, souverän bewältigen zu können. Der Malerbetrieb hat 20 Mitarbeiter, darunter immer fünf bis sechs Auszubildende. Was macht nun den Erfolg seiner Lehrlingsausbildung aus? Am Anfang steht ein speziell für das „Grüne“ Unternehmen produzierter Film, der den Absolventen der Polytechnischen Schule (einjährige, allgemein bildende Pflichtschule in Österreich, die an die 8. Schulstufe anschließt und der Berufsvorbereitung dient) vorgeführt wird und so auf den Malerberuf aufmerksam macht. Jährlich nehmen dann zwischen 30 und 40 Schüler am Eignungstest des Malerbetriebs teil, von denen die fähigsten und talentiertesten einen Lehrvertrag erhalten. Ein eigens im Malerbetrieb entwickelter Ausbildungsplan zum MFB-Techniker ist die Grundlage der Vermittlung fachlichen Wissens. „Für die Lehrlingsausbilder sind Kommunikations- und Übermittlungsfähigkeiten sowie die soziale Komponente, was den Umgang mit der Jugend betrifft, wichtige Voraussetzung“, berichtet Kurt Micheluzzi. Und: „Handwerkliches Geschick, ausgeprägtes Farbempfinden, Sauberkeit, Genauigkeit und Organisationstalent sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung zum MFB-Techniker.“
Ein Prämiensystem schafft Anreize
Das bereits seit 25 Jahren beim „Grünen“ bestehende Prämiensystem zeichnet den werdenden Facharbeiter aus, vermittelt Anreize und ist auch Hilfestellung, um die soziale Komponente zu meistern. Folgende Kriterien haben Auswirkungen auf die monatlichen Leistungsprämien in Höhe bis zu einem halben Monatslohn: 60 % Beurteilung der Arbeit an der Baustelle durch Lehrlingsausbilder und Facharbeiter auf einem eigens entwickelten Formular, 30 % Leistungen in der Berufsschule und in dem durch Fachlehrer begleiteten betriebsinternen Werksunterricht, 10 % für die Führung der Ausbildungsmappe. „Nach drei Jahren sind die jungen Mitarbeiter nicht nur fachliche Könner. Sie wissen auch ganz genau, worauf es heute in einem wirtschaftlich geführten Unternehmen ankommt, wie man mit Kunden umgeht und was jeder einzelne im Betrieb für die Umwelt tun kann!“ Darauf sind die Micheluzzis besonders stolz. Diese außergewöhnlichen Anstrengungen blieben nicht ohne Folgen. Der Malerbetrieb ist „Unternehmer des Jahres“ im Bereich Dienstleistung, „Staatlich ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“, er erhielt den Hauptpreis der Hans-Huber-Stiftung (Schweiz) „zur Förderung der beruflichen Ausbildung“ und bei der kürzlichen Preisverleihung des Wettbewerbs „Säulen der Wirtschaft“ lautete die Begründung der Jury: „Ein Markenzeichen des Unternehmens ist die hervorragende Lehrlingsausbildung und sein vielfältiges Leistungsangebot“.
Perspektiven aufzeigen
„Die Zahl der Studienanfänger in Deutschland ist 2013 erstmals höher als die Zahl der Anfänger in der dualen Berufsausbildung. Hier spiegeln sich der allgemeine Trend zur Höherqualifizierung, aber auch die doppelten Abiturjahrgänge wider“, heißt es im aktuellen Berufsbildungsbericht. Markus Glasl vom Ludwig-Fröhler-Instutut (LFI) in München rät in handwerk.com den Betrieben, sie sollen Perspektiven konkret und verbindlich aufzeigen und zwar im Hinblick auf Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten. Hier sei das Handwerk im Vorteil. Er betont: „In der Industrie gibt es zwar vielleicht mehr Entwicklungsmöglichkeiten, aber die bleiben oft unspezifisch und schwer vorstellbar.“ Arbeitgeber im Handwerk kennen hingegen den Weiterbildungsbedarf sehr genau und wissen relativ zuverlässig, welche Positionen in Zukunft konkret zu besetzen sind. „Das bietet die Chance, als Arbeitgeber gemeinsam mit dem jungen Gesellen einen Plan zu machen, damit der Mitarbeiter diese Position später erfolgreich übernehmen kann.“ Es genügt dabei nicht, sich auf die Eigeninitiative der Mitarbeiter zu verlassen, betont der Experte: Junge Fachkräfte brauchen detaillierte Informationen, konkrete Pläne und verbindliche Zusagen für Weiterbildung und Aufstieg. Und sie brauchen Zeit, diese Pläne umzusetzen. „Ein Betrieb sollte seine Mitarbeiter für die Weiterbildung nach Möglichkeit freistellen und ihnen dafür vielleicht sogar eine konkrete Zahl an Tagen zusichern.“
Studium und Berufsausbildung
Beides gleichzeitig – das geht jetzt auch im Malerhandwerk, und zwar ganz neu in dem Modellprojekt „duales Studium“ der Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main. Philip Hoffmann ist der erste „duale Student“ im Bachelor-Studiengang Bauingenieurwesen. Er absolviert gleichzeitig eine Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Baudekoration Eugen Hofmann GmbH, Frankfurt, und ein Studium des Bauingenieurwesens an der Frankfurt University of Applied Sciences. Derzeit befindet sich Philip Hoffmann im 2. Studiensemester, seine Ausbildung im Malerbetrieb hat er bereits im Herbst 2013 begonnen. Die Regelstudienzeit für das gesamte Studium inklusive Ausbildung beträgt neun Semester und gliedert sich in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt steht die gewerbliche Berufsausbildung als Maler und Lackierer in einem Ausbildungsbetrieb im Mittelpunkt. Dieser endet nach etwa 30 Monaten mit der Gesellenprüfung durch die Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main. Parallel zur Lehre nehmen die Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr das Studium an der Frankfurt University auf. Die Lehrveranstaltungen finden je nach Studiensemester an zwei bis vier Tagen pro Woche statt. An den restlichen Wochentagen sowie in der vorlesungsfreien Zeit erfolgt die betriebliche Ausbildung. Der zweite Abschnitt dient ausschließlich dem Studium des Bauingenieurwesens mit dem Abschluss „Bachelor of Engineering (B.Eng.)“. Er umfasst fünf Studiensemester an der Frankfurt University und wird mit der Bachelor-Arbeit abgeschlossen. Zum offiziellen Start der Zusammenarbeit zwischen Innung und Hochschule sind für den Studienbeginn im April 2015 weitere Ausbildungs- bzw. Studienplätze zu vergeben. Die Kooperation ist Teil der langfristig angelegten Ausbildungsoffensive der Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main; die Frankfurt University of Applied Sciences baut ihrerseits das vorhandene duale Studienangebot im Bereich Bauingenieurwesen um die Ausbildungsberufe Maler und Lackierer aus. Voraussetzung für den dualen Ausbildungsweg ist das Abitur oder das Fachabitur. Nach Abschluss des Studiums haben die Absolventen die Möglichkeit, direkt in das Berufsleben einzusteigen, ein Masterstudium mit möglicher anschließender Promotion anzustreben oder sich zum Maler- und Lackierermeister weiterbilden zu lassen. Philip Hoffmann und Felix Diemerling, Geschäftsführer der Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main, sprechen im MAPPE-Interview über ihre Erfahrungen mit dem dualen Studium im Malerhandwerk. Außerdem gibt es das Verbundstudium Innenausbau und Maler- und Lackiererausbildung des LIV Bayerns. Den Abschluss „Bachelor of Engineering“ im Ingenieurstudium Innenausbau und dem  Gesellenbrief im Maler- und Lackiererhandwerk erhält man innerhalb von 4,5 bis 5 Jahren. Für größere Firmen bietet sich die Chance, Führungsnachwuchs zu gewinnen. Die detaillierten Studieninhalte können im Internetauftritt der Hochschule Rosenheim nachgelesen werden unter www.fh-rosenheim.de
Studienabbrecher fürs Handwerk gewinnen
Fast jeder dritte Student bricht sein Studium irgendwann ab. Kann man dieses Potenzial nicht für das Handwerk gewinnen? Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) macht sich schon seit einiger Zeit dafür stark. „Aus Germanistikstudenten werden Maler“ könnte z. B. das Ergebnis des Pilotprojekts „Masterplan Handwerk“ der Kreishandwerkerschaft Vechta lauten. Sie will Studienabbrecher mit einer auf eineinhalb Jahre verkürzten Ausbildungszeit zu einer Lehre im Handwerk motivieren. Direkt im Anschluss können Teilnehmer des Programms einen Meisterkurs nachlegen und bereits nach zweieinhalb Jahren den Meisterbrief in Händen halten. Seit einem Jahr läuft das Projekt. 20 Studienabbrecher für 20 Handwerksbetriebe, das war das Ziel, das auch erreicht wurde. „Die Bewerber stehen nach dem Abbruch vor dem Nichts und brauchen eine Perspektive. Da sind eine handfeste Ausbildung und eine Meisterprüfung attraktiv. Auch finanziell: Wer zum Beispiel ein Ingenieurstudium abbricht, könne als Meister ähnlich viel verdienen wie als Ingenieur“, sagt Dieter Mertens, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vechta. Studienabbrecher sind eine interessante Zielgruppe für Handwerksbetriebe, denn sie bringen eine überdurchschnittliche Allgemeinbildung mit. Zudem ist bei ihnen die Gefahr gering, dass sie sich im Anschluss an die Ausbildung einen Studienplatz suchen – wie es häufig bei Abiturienten der Fall ist, die direkt nach der Schule eine Ausbildung machen. „Studienabbrecher sind zwar deutlich älter als ein durchschnittlicher Auszubildender. Dafür haben sie aber auch mehr Lebenserfahrung“, sagt Mertens. Studienabbrecher sollen nach der Ausbildung gezielt Verantwortung übernehmen – etwa in Führungspositionen, oder als potenzielle Betriebsnachfolger. Die finden zahlreiche Handwerksbetriebe nämlich nicht.
Unter Ausländern Nachwuchs suchen
Dieses Thema gewinnt durch die mangelnde Integration der zahlreichen in Deutschland ankommenden Flüchtlingen in der Gesellschaft besondere Bedeutung. Die Handwerkskammer für München und Oberbayern möchte daher vor allem jungen, unbegleiteten Flüchtlingen helfen, Ausbildungs- oder Praktikumsplätze im Handwerk zu finden. „Jeder weiß, wie schwierig es ist, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden, wenn man die Sitten und Gebräuche nicht kennt und die Sprache noch nicht versteht. Neben einer intensiven Betreuung kann vor allem die Aufnahme einer Beschäftigung die Eingewöhnung erleichtern“, erklärte Handwerkskammerpräsident Georg Schlagbauer beim Besuch des SHK-Meisterbetriebs Obermeier, der zwei Flüchtlinge aus Afghanistan ausbildet. Bereits im vergangenen März informierte die MAPPE über das Modellprojekt „Qualifizierung“, das der Westdeutsche Handwerkskammertag gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft Duisburg sowie den Handwerkskammern Dortmund und Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld durchführt. Es vermittelt un- und angelernten Migranten ab 25 Jahren arbeitsmarktrelevante Kenntnisse und Fertigkeiten und/oder weist Fähigkeiten nach. Das Sonderprogramm des Bundes zur „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa“ (MobiPro-EU) unterstützt seit Januar 2013 junge EU-Bürger bei der Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland. Seit Programmstart haben rund 6.400 Personen Förderanträge im Ausbildungssegment gestellt. Vor dem Hintergrund dieses sehr großen Interesses ist es gelungen, das Fördergeld für die Jahre 2013 bis 2018 von ursprünglich 130 Mio. auf 560 Mio. Euro zu erhöhen.
Berufsparcours vermittelt praktisches Erfahrungswissen
immer größer wird die Herausforderung für Jugendliche, den richtigen Beruf für die Ausbildung oder das Studium zu finden. In der Praxis bewerben sie sich oft für Berufe, die sie nicht kennen, nur weil es dort noch freie Ausbildungsplätze gibt. So ist die hohe Abbruchquote nicht verwunderlich. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist das eine Katastrophe, für die Jugendlichen selbst wie für die betroffenen Betriebe und Ausbildungsstätten. Aus diesen Erfahrungen heraus hat Karin Ressel vom Technikzentrum Minden-Lübbecke e. V. in Hille zur Berufsvorbereitung durch praktische Angebote die „Berufsparcours“ entwickelt, in denen Jugendliche z. B. in schulischen Räumen berufsbezogene Aufgaben testen können. „Unternehmen gehen bei der Einstellung Auszubildender zu 60 % nach Sympathie und nur zu 30 % nach Begabung“, erklärt die Initiatorin, die die Veranstaltungen organisatorisch begleitet. So haben in den letzten 12 Jahren rund 550.000 Jugendliche die verschiedenen Module in Schulen erproben können. [ttt-gallery-image] Ein solcher Berufsparcours fand im vergangenen Herbst bereits zum 6. Mal in der Senefelder Schule in Treuchtlingen und in der Anton-Seitz-Mittelschule in Roth statt, gefördert von der Agentur für Arbeit, dem Staatlichen Schulamt und der Hermann-Gutmann-Stiftung. Über 1.200 Schülern der 7. und 8. Klassen aus zwölf Schulen boten Stände von Firmen und Institutionen Einblicke in  unterschiedliche Berufsfelder – inkl. zehnminütiger Mini-Praktika an jeweils acht Arbeitsplätzen. So konnten die Jugendlichen z. B. bei der Präsentation der Innung für Farbtechnik und Gestaltung Mittelfranken-Süd die Wirkung von Schablonierungen auf einer Schwammtechnik testen. Dabei standen ihnen nur wenig ältere Malerlehrlinge mit Rat und Tat zur Seite. [ttt-gallery-image] Bei den Werbemitteln zum Berufsparcours ging die Innung neue Wege entsprechend dem Motto „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“. Dazu sollten sich Malerlehrlinge des ersten Lehrjahrs im Unterricht von Anja Lößel an der Berufsschule Roth Gedanken machen, wie sie sich angesprochen fühlen würden, um Maler zu werden. Über eine Sammlung von Schlagwörtern kam man zu kurzen Sätzen mit teilweise derben oder zweideutigen Aussagen und dazu passenden Bildideen. Die Maler im Innungsvorstand waren über das Ergebnis teilweise geschockt. Trotzdem wurden zwei der Motive als Experiment professionell umgesetzt – als Flyer, Plakat und Roll-Up. Bilder: Mappe, Hanno Dietrich

Foto: manuta/Adobe Stock
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