Folgen Sie uns
18. Januar 2024
Redaktion
#professionincolor

Selbstständige Powerfrau

Nicht rosarot, aber doch sehr bunt: Eine Idee, einen Traum ‒ das haben sie alle gemeinsam, die eine eigene Firma gründen. Es braucht viel Willensstärke, denn der Weg in die Selbstständigkeit ist nicht vorgezeichnet und durchaus holprig. Wir haben mit spannenden Frauen gesprochen, die sich aufgemacht haben und heute erfolgreiche Unternehmerinnen sind.
Christine
Foto: Christine Schönherr
Christine Schönherr, Inhaberin und Gründerin von Farbwerk Stuttgart.

„Ich bin Malermeisterin und liebe meinen Beruf.“ ‒ Mit dieser Aussage präsentiert sich Christine Schönherr auf ihrer Website. Sie ist das, was man eine Powerfrau nennt: Selbstständig mit zwei Angestellten und ganz nebenbei noch Mutter von vier Kindern im Alter zwischen ein und sechs Jahren. Für sie kam nie etwas anderes als der Malerberuf in Frage. Denn Christine Schönherr wuchs zusammen mit ihren drei Brüdern quasi in der elterlichen Malerwerkstatt auf. Heute ist sie Malermeisterin der dritten Generation ‒ die Einzige unter ihren Geschwistern, die diesen Handwerksberuf erlernt hat.

Vorurteile in der Lehre

Nach dem Realschulabschluss ging sie bei ihrem Vater in die Lehre. Das war nicht immer leicht, erinnert sie sich: „Es war schwierig, bei einigen Gesellen als weibliche Auszubildende, die gleichzeitig Tochter des Chefs ist, anerkannt zu werden. Ich musste mich erst einmal behaupten und deutlich mehr arbeiten als ein normaler Auszubildender, um die gleiche Akzeptanz zu bekommen. Am Ende haben alle sehr gut miteinander gearbeitet.“ Ihren Meister hatte Christine Schönherr nach einem Vollzeitkurs innerhalb von zwei Jahren in der Tasche, um dann mit Enthusiasmus und vielen Plänen in den elterlichen Betrieb zurückzukehren. „Damals, ich war Anfang 20, fanden einige Kunden es super, von mir beraten zu werden, da Frauen oft sensibler agieren als ihre männlichen Kollegen. Ältere Kunden und auch Handwerker auf der Baustelle wiederum hatten immer noch Vorurteile, oft hieß es: ‚Das Mädle schafft doch nichts.‘ ‒ Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass mein Vater und ich, was den Beruf angeht, andere Vorstellungen hatten, die nicht miteinander vereinbar waren, und ich steuerte noch einmal in eine andere Richtung.“

Wie mache ich mich selbständig?

Projektraum
Foto: Christine Schönherr
Projektbeispiele zeigen Christines kreative Vielfalt.

Die große Leidenschaft von Christine Schönherr war schon immer die Malerei und mit einem befreundeten Illusionsmaler realisierte sie damals Projekte in ganz Deutschland. Von einem kurzen Aufenthalt an der europäischen Kunstakademie in Trier inspiriert begann die Malermeisterin mit 24 ein Studium an der Kunstakademie in Stuttgart, das sie mit Diplom abschloss. Um sich das Studium zu finanzieren, machte sie sich mit einem klassischen Malerbetrieb 2014 selbständig ‒ eine stressige Herausforderung neben dem Uni-Alltag.

Familie und Beruf

Projektraum
Foto: Christine Schönherr

Nach dem Diplom erwartete Christine Schönherr 2016 ihr erstes Baby: „Ich war damals viel unterwegs. Schwer Heben oder Verputzen war nicht mehr möglich und mit Lösungsmitteln dufte ich auch nicht mehr arbeiten.“ 2017 gründete sie das Farbwerk. „Die Beratung des Kunden in Gestaltungsfragen steht im Mittelpunkt, die praktische Ausführung gebe ich ab“, erklärt die Expertin. Mittlerweile hat sie von einer großen ehemaligen Kfz-Werkstatt in einen kleinen, exklusiven Laden in der Stuttgarter Innenstadt gewechselt.

Es kommt vor, dass sie auf Baustellen belächelt wird. „Das legt sich aber sofort im Gespräch und viele kommen dann gezielt auf mich zu. Übrigens: Häufig sind es die Frauen, die den Anstoß für eine Veränderung in den eigenen vier Räumen geben.“

Die einzig sinnvolle Entscheidung

Projektbeispiel
Foto: Christine Schönherr
Ein weiteres Projektbeispiel von Christine Schönherr mit einem kräftigen Yves-Klein-Blau.

Auf die Frage, was Christine Schönherr heute nach neun Jahren Selbstständigkeit anders machen würde, antwortet sie ganz klar: „Gar nichts! Für mich war das die einzig sinnvolle Entscheidung. Allerdings sollte man sich als selbstständige Frau mit Kinderwunsch bewusst sein, was das bedeutet. Denn es ist ein großes Problem, wenn man als Frau während der Schwangerschaft auf dem Bau nicht so viel leisten kann. Die Gewinne brechen ein, die Kosten laufen jedoch weiter. Über diese Situation wird vorher nicht gesprochen. Mein Rat an alle selbstständigen Frauen im Handwerk, die das Thema Familiengründung im Blick haben: Um eine Grundsicherung, wie auch die Krankenversicherung zu haben, wäre es am besten, sich vorübergehend in ein Angestelltenverhältnis zu begeben. Ansonsten empfehle ich, danach einfach den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen.“

Größter Gewinn: freie Zeiteinteilung

Heute hat Christine Schönherr große Pläne für die Zukunft: Sie hat seit kurzem zwei neue Mitarbeiterinnen. Die eine kümmert sich hauptsächlich um Social Media, wie Instagram und Facebook, die andere berät und verkauft im Farbwerk. „Ich möchte das Farbwerk ausbauen und richtig durchstarten. Dabei plane ich auch andere Bereiche, wie Inneneinrichtung, zu integrieren.“ Und wie sie ihre Arbeit und ihre Familie im Alltag unter einen Hut bekommt? Das wird sie öfter gefragt. „Mein Mann geht mit mir zusammen den Weg, wir müssen oft im Alltag jonglieren. Und meine Schwiegereltern sind eine große Stütze.“ Die Erfahrungen als selbstständige Frau im Handwerk beurteilt Christine Schönherr vorwiegend als positiv: „Ich setze meine Schwerpunkte selbst, suche mir aus, mit wem und für wen ich arbeite und kann auch mal einen Auftrag ablehnen. Der größte Gewinn einer Selbständigkeit ist jedoch die freie Zeiteinteilung. Das kommt auch meiner Familie zugute, denn heute toben neben meinem Mann und mir mittlerweile schon vier Kinder durchs Haus.“

Alexandra Nyseth

Foto: manuta/Adobe Stock
Kleine
Zurück
Speichern
Nach oben